Die vergessene Insel
tatsächlich irgendwie mit seinem Amulett zu tun hatte, fragte er sich, wie um alles
in der Welt sie die Darstellung der Göttin Kali zur
Vergessenen Insel führen sollte.
»Also gut«, begann Singh, nachdem er die Karten
nacheinander ausgerollt und auf dem Tisch übereinandergestapelt hatte. »Versuchen wir die Karte zu finden, die Winterfeld Euch gezeigt hat.«
Was so leicht gesagt war, erwies sich als zeitaufwendiges und anstrengendes Unterfangen. Singh sortiertezuerst alle Karten, die andere Seegebiete als die Karibik zeigten, aus. Aber es
verblieb immer noch ein
großer Rest, und als vor Mike nur noch drei Karten
lagen, hatte er rasende Kopfschmerzen und brennende
Augen.
Aber damit fing die eigentliche Arbeit erst an.
Irgendeine Beziehung zwischen dem Amulett und der
Karte mußte es geben. Sie versuchten, die Größe des
Anhängers mit der irgendeiner Insel in Beziehung zu
setzen. Nichts. Sie suchten nach einem Eiland oder einer Inselgruppe, die der Form des Amuletts ähnelte.
Ohne Ergebnis. Sie suchten nach einer Insel, deren
Name ungefähr so klang wie Kali, ohne sie zu finden.
Sie ließen das Amulett wie
eine Münze auf der
Schmalseite über die
Karte rollen und hofften, sie
würde sie wie durch Zauberei zu ihrem Ziel führen,
und taten noch viele andere Dinge, die auf bloßes Herumraten hinausliefen.
Schließlich sprach Juan aus, was sie sich
insgeheim
alle schon dachten. »Das hat doch keinen Zweck«, sagte er müde. »Wir können noch Jahre suchen, ohne
diese verdammte Insel zu finden. Wahrscheinlich ist
sie gar nicht auf dieser Karte verzeichnet,
sondern
nur auf der, die dein Vater dir hinterlassen hat.«
»Wenn das so wäre, hätte mein Vater sie längst gefunden«, sagte Paul. »Wenn es eine Insel gäbe, die nur
auf dieser einen Karte verzeichnet ist, dann brauchte
er sie nur mit einer x-beliebigen anderen Seekarte zu
vergleichen, und schon hätte er sie. Nein, ich wette,
daß diese Insel auf keiner Karte der Welt zu finden
ist.«
»Welchen Sinn sollte diese Karte dann überhaupt haben?« fragte André.
An Pauls Stelle antwortete Mike. »Ich weiß es nicht.
Aber irgend etwas ... war anders als hier.« Er nahm
eine der drei übriggebliebenen Karten zur Hand und
blickte sie konzentriert an. Er hatte immer mehr das
Gefühl - nein, er wußte! -, daß er die Lösung im
wahrsten Sinne des Wortes in den Händen hielt. Aber
sie schien etwas von einem glitschigen Fisch an sich
zu haben, immer, wenn er sie wirklich ergreifen wollte, glitt sie ihm zwischen den Fingern hindurch.
»Vielleicht hat dein Vater sie aus dem Gedächtnis gezeichnet und deshalb nicht ganz richtig?« vermutete
Miß McCrooder.
Mike schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Sie sah
genau aus wie diese, aber sie war...« Ganz plötzlich
fiel es ihm wieder ein. »Sie war auf Pergament gezeichnet«, sagte er. »Auf ganz dünnem Pergament, das
fast durchsichtig war!«
Der Inder sah plötzlich sehr angespannt drein. »Pergament?« vergewisserte er sich. »Beinahe durchsichtiges
Papier?« Mike nickte, und Singh fuhr fort: »Erinnert
Ihr Euch, wie groß sie war?«
»Nicht besonders groß«, antwortete Mike. »Viel kleiner als diese hier. Ich habe mich noch gewundert,
warum sie so klein war. Er muß manche von den Zahlen und Buchstaben mit der Lupe geschrieben haben.«
»Das ist es!« sagte Singh. »Ich glaube, Ihr habt die Lösung gefunden.«
»So?« murmelte Mike. »Na, wenigstens einer glaubt
das.«
Singh lächelte flüchtig. Er stand auf. »Wir haben kein
Pergament an Bord«, sagte er, »und auch nicht das
nötige Werkzeug, um eine wirklich genaue Karte zu
zeichnen. Aber vielleicht geht es auch anders herum.«
Er trat an den Kartenschrank und kam gleich darauf
mit Schere, Klebstoff, Reißnägeln und einigen starken
Kartons zurück.
»Was hast du vor?« fragte Mike.
Singh lächelte abermals, antwortete aber auch jetzt
nicht, sondern wandte sich an Juan. »Darf ich Euch
bitten, mir eine der Laternen von Deck zu bringen?«
Als Juan sich gehorsam entfernte, deutete Singh auf
die Karte und reichte André die Reißnägel. »Befestigt
sie an der Wand«, sagte er. »Direkt über dem Tisch.
Und möglichst gerade.«
Für jemanden, dessen Lebensinhalt das Dienen und
Gehorchen war, dachte
Mike, verstand sich Singh
ziemlich gut
aufs Befehle-Erteilen. Aber er sagte
nichts, sondern sah wortlos weiter zu, was geschah.
Juan brachte die Laterne, und während André mit
Bens Hilfe die Karte an der Wand befestigte, begann
Singh aus dem Karton einen rechteckigen
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