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Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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merkwürdige Schal, breitete sich aus und entpuppte
    sich als ein Paar flatternder, lederartiger Flügel. Challenger
    griff nach den Beinen der scheußlichen Kreatur, erwischte sie
    jedoch nicht mehr. Das Untier hatte sich von der Kiste
    abgestoßen und flatterte in großen Kreisen in der Queens Hall
    herum, mit trockenem, ledernem Klappen seiner zehn Fuß
    spannenden Flügel. Ein fauliger, ekelhafter Geruch breitete
    sich im Raum aus.
    Die Angstschreie der Leute auf der Galerie, die durch die
    bedrohliche Nähe dieser glühenden Augen und des
    mörderischen Schnabels erschreckt waren, reizten das
    Scheusal noch mehr. Schneller und schneller flog es und
    schlug in blinder Wut gegen Wände und Leuchter.
    »Das Fenster! Um Himmels willen, macht das Fenster zu!«
    brüllte der Professor vom Podium, wo er umhertanzte und die
    Hände rang. Ach, seine Warnung kam zu spät! In der
    nächsten Sekunde hatte die Kreatur, die wie eine riesige
    Motte in einem Lampenschirm immer wieder gegen die Wände
    stieß, die Öffnung erreicht, ihren gräßlichen Körper
    hindurchgezwängt – und war fort.
    Professor Challenger sank auf seinen Stuhl zurück und
    schlug die Hände vors Gesicht, während aus dem Publikum
    ein langer, tiefer Seufzer der Erleichterung aufstieg.
    Wie soll man in Worten beschreiben, was sich dann
    abspielte – wie der ganze Überschwang der Mehrheit und die
    Reaktion der Minderheit sich zu einer einzigen großen Woge
    der Begeisterung vereinigten, die vom Hintergrund des Saales
    nach vorn rollte, stetig an Volumen zunahm, über das
    Orchester schlug, das Podium überflutete und die vier Helden
    auf ihrem Kamm davontrug? Hatte das Publikum den
    Forschern bisher keine Gerechtigkeit widerfahren lassen, so
    machte es jetzt alles im Übermaß wieder wett. Alles war auf
    den Beinen. Alles lief, schrie und gestikulierte
    durcheinander. Eine dichte Menge jubelnder Männer umgab
    die vier Reisenden.
    »Hoch! Hoch mit ihnen!« schrien Hunderte von Stimmen.
    Augenblicklich erschienen die vier Gestalten über den Köpfen
    der Menge. Vergeblich suchten sie sich zu befreien. Sie wurden
    auf ihrem luftigen Ehrenplatz festgehalten. Selbst wenn man
    gewollt hätte, wäre es kaum noch möglich gewesen, sie
    herunterzulassen, so dicht war das Gedränge.
    »Regent Street! Regent Street!« schrien die Stimmen.
    In die Menge kam Bewegung, und der Menschenstrom
    bewegte sich auf den Ausgang zu, die vier auf den Schultern.
    Draußen auf der Straße gab es eine außergewöhnliche Szene.
    Dort wartete eine unüberschaubare Menschenmenge. Sie
    reichte vom Oxford Circus bis über das Langham Hotel hinaus.
    Als die vier Abenteurer hoch über den Köpfen der Massen
    unter den hellen Bogenlampen vor der Halle erschienen,
    wurden sie von einem Begeisterungssturm begrüßt.
    »Ein Triumphzug! Ein Triumphzug!« schrie alles. Schulter
    an Schulter setzte sich die Menge in Bewegung durch Regent
    Street, Fall Mall, St. James Street und Piccadilly. Der gesamte
    Verkehr in der City kam zum Erliegen, und zahlreiche
    Zusammenstöße mit Polizisten und Droschkenkutschern
    wurden gemeldet. Erst nach Mitternacht wurden die Reisenden
    schließlich vor dem Eingang zu Lord John Roxtons Wohnung
    im Albany freigelassen. Und die begeisterte Menschenmenge
    sang »They are jolly good Fellows« und sozusagen als
    Schlußpunkt der Veranstaltung »God save the King«.
    §
    Soweit also mein Freund Macdona. Ein zuverlässiger, wenn
    auch blumenreicher Bericht über die Vorgänge. Was das
    Hauptereignis betrifft, so war es wohl für das Publikum eine
    Überraschung, nicht aber für uns. Der Leser wird sich erinnern,
    wie ich Lord John begegnete, als er sich in seiner
    Schutzkrinoline aus Zweigen aufgemacht hatte, um für
    Professor Challenger das ›Teufelsküken‹ zu besorgen. Ich habe
    ebenfalls die Schwierigkeiten angedeutet, die wir mit dem
    Gepäck des Professors hatten, als wir das Plateau verließen. Bei
    näherer Beschreibung unserer Rückreise hätte ich auch noch
    eine Menge über die Plage zu berichten, die wir mit dem Appetit
    unseres unsauberen Gefährten hatten, den wir nur mit
    verfaulten Fischen füttern konnten. Wenn ich bisher nichts
    darüber gesagt habe, so geschah dies natürlich auf
    ausdrücklichen Wunsch des Professors hin. Er wollte nicht, daß
    auch nur das leiseste Gerücht über das unwiderlegbare
    Argument, das wir mit uns führten, durchsickerte, bevor der
    geeignete Augenblick gekommen war.
    Ein Wort noch zum Schicksal des Londoner

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