Die Vergessene Welt
nicht gefeit. Wir alle hätten wie
die Motte den Drang, ins Licht zu flattern. Großwildjäger
tendierten nun einmal dazu, die Rivalen in Jägerlatein zu
überbieten, und Journalisten seien Sensationsberichten ja
durchaus nicht abgeneigt, auch wenn die Phantasie dabei den
Tatsachen gelegentlich etwas nachhelfen müsse. Jedes einzelne
Mitglied des Komitees habe seine persönlichen Motive, das
Resultat entsprechend aufzubauschen. Empörte Zwischenrufe.
§
Er wolle, fuhr der Redner unbeirrt fort, weiß Gott niemanden
beleidigen, aber das Beweismaterial für diese wunderlichen
Geschichten sei doch wirklich recht dürftig. Was läge denn
schon vor? Einige Fotografien, wobei man sich fragen müsse,
ob in einem Zeitalter geschicktester Fotomontagen und
ähnlicher
Manipulationen
Fotografien
überhaupt
als
Beweismittel zugelassen werden sollten. Aber, wie dem auch
sei – einige Fotografien, eine spannende Geschichte über den
Aufenthalt in einem unbekannten fernen Land und schließlich
über die Flucht und den Abstieg an einem Seil, wodurch die
Mitnahme größerer Exemplare ausgeschlossen gewesen sei.
Recht hübsch ausgedacht, aber nicht überzeugend. Lord
Roxton habe behauptet, den Schädel eines Phororachus
mitgebracht zu haben, und diesen Schädel würde er doch zu
gerne sehen.
Lord John Roxton empört aufspringend: Will dieser Mensch
damit sagen, daß ich lüge?
Zwischenrufe und Tumulte.
Der Vorsitzende: Ruhe, bitte! Ruhe! Dr. Illingworth, ich
muß Sie bitten, Ihre Ausführungen zum Abschluß zu bringen
und die Richtigstellung zu formulieren.
Dr. Illingworth: Euer Gnaden, ich hätte noch sehr viel zu
sagen, aber ich beuge mich Ihrem Wunsch. Ich beantrage also,
daß Professor Summerlee für seinen Vortrag der Dank des
Zoologischen Instituts ausgesprochen, die Angelegenheit
jedoch als unbewiesen erachtet und einem größeren und
vertrauenswürdigeren Prüfungskomitee übergeben werden
solle.
Das Durcheinander, das auf diesen Antrag folgte, ist
schwer zu beschreiben. Ein großer Teil der Zuhörerschaft
brachte seinen Unwillen über die Verunglimpfung der
Reisenden durch laute Zwischenrufe zum Ausdruck. Die
Skeptiker – und es läßt sich nicht bestreiten, daß sie doch recht
zahlreich waren – wollten den Antrag durchgebracht sehen
und taten dies ebenfalls lauthals kund. In den hinteren
Sitzreihen kam es unter den Studenten zu einem
Handgemenge. Allein dem schlichtenden Einfluß der zahlreich
anwesenden Damen ist es zu verdanken, daß es zu keinem
Chaos kam. Zum Erstaunen aller brach der Lärm jedoch
plötzlich ab, und eine Stille folgte, in der man eine Stecknadel
hätte fallen hören. Professor Challenger hatte sich von seinem
Sitz erhoben. Seine Erscheinung und sein Auftreten übten
einen seltsamen Zwang aus. Als er die Hand hob und um Ruhe
bat, obwohl es bereits mucksmäuschenstill war, saß das
Publikum in gespannter Erwartung da.
»Viele der Anwesenden werden sich erinnern«, sagte
Professor Challenger, »daß sich während der letzten
Versammlung ähnlich alberne und unmanierliche Szenen
abgespielt haben. Damals war Professor Summerlee derjenige,
der mich am schärfsten angegriffen hat. Er ist inzwischen zwar
anderer Meinung, wie Sie alle gehört haben, aber seine
Haltung bei der letzten Versammlung ist eine Tatsache. Heute
abend habe ich mir nun ähnlich beleidigende, aber noch
schärfere Äußerungen von der Person anhören müssen, die sich
soeben gesetzt hat. Obwohl ein erhebliches Maß an
Selbstverleugnung dazu nötig ist, will ich versuchen, mich auf
das geistige Niveau dieser Person hinabzubegeben, um den
letzten Zweifel zu zerstreuen, der noch vorhanden sein mag.
Professor Summerlee hat zwar in seiner Eigenschaft als Leiter
des Untersuchungskomitees heute abend den Bericht über
unsere Reise verlesen, aber ich brauche wohl in diesem Kreis
nicht zu betonen, daß immer noch ich es gewesen bin, der den
Anstoß dazu gegeben hat, und jeglicher Erfolg in erster Linie
mir zuzuschreiben ist. Ich habe die drei Herren sicher an den
erwähnten Ort geführt, und ich habe sie von der Richtigkeit
meiner früheren Behauptungen überzeugt. Wir haben die
Rückreise in der Hoffnung angetreten, daß niemand mehr so
beschränkt und borniert sein könne, an dem Ergebnis unserer
Untersuchungen zu zweifeln. Aus früheren Erfahrungen klug
geworden, bin ich jedoch nicht ohne Beweismaterial
hierhergekommen. Wie Professor Summerlee schon
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