Die Vergessene Welt
Anweisungen an
Sie befinden sich in diesem verschlossenen und versiegelten
Umschlag. Sie werden ihn erst öffnen, wenn Sie das Städtchen
Manaos an den Ufern des Amazonas erreicht haben und …« – er
deutete mit einem dicken behaarten Finger darauf – »wenn Tag
und Stunde gekommen sind. Diese Zeitangaben sind absolut
bindend, ist das klar? Ich verlasse mich auf Ihr Ehrenwort.« Der
Finger deutete auf mich. »Und Sie, Mr. Malone, haben freie
Hand. Ich will Ihnen bezüglich Ihrer Berichterstattung keinerlei
Beschränkung auferlegen. Schließlich reisen Sie ja mit, um
wegen der Sache viel Wind zu machen. Ich verlange allerdings,
daß Sie die genaue Lage des Reiseziels nicht bekanntgeben und
vor Ihrer Rückkehr nichts veröffentlicht werden darf.
Und nun wünsche ich Ihnen eine gute Reise, meine Herren.
Leben Sie wohl, Mr. Malone. Sie haben es immerhin geschafft,
meinen Haß gegen Ihr Metier etwas zu mindern. Auf
Wiedersehen, Lord John. Soweit ich informiert bin, ist die
Wissenschaft zwar ein Buch mit sieben Siegeln für Sie, aber Sie
können sich zu dem Jagdrevier, das Sie erwartet, gratulieren.
Sie werden nach Ihrer Rückkehr in der Waldeslust, oder wie Ihr
Fachblatt auch heißen mag, berichten können, wie Sie das
röhrende Dimorphodon erlegt haben. Auch Ihnen alles Gute,
Professor Summerlee. Falls Sie überhaupt noch besserungsfähig
sind, woran ich, ehrlich gesagt, zweifle, werden Sie garantiert
als klügerer Mann nach London zurückkommen.«
Damit macht er auf dem Absatz kehrt, und einen Moment
später sehe ich von Deck aus, wie seine kleine, untersetzte
Gestalt in der Ferne verschwindet.
So, und jetzt sind wir schon im Ärmelkanal. Die Glocke für
die letzte Post läutet, und der Lotse geht von Bord. Wir begeben
uns auf Hohe See. Gott segne alle unsere Lieben daheim und
schenke uns eine glückliche Wiederkehr.
#7
Und so werden wir morgen ins Ungewisse aufbrechen
§
Ich möchte diejenigen, die diesen Brief lesen, nicht mit einem
Bericht von unserer luxuriösen Überfahrt auf dem Dampfer
langweilen und will auch nichts über unseren siebentägigen
Aufenthalt in Para erzählen. Einzig möchte ich an dieser Stelle
der Pinta-Gesellschaft für ihre wertvolle Hilfe bei der
Beschaffung unserer Expeditionsausrüstung danken. Auch
unsere Reise stromaufwärts will ich nur ganz kurz erwähnen.
Wir fuhren den großen, träge fließenden, lehmfarbenen Strom
hinauf mit einem Schiff, das unserem Ozeandampfer an Größe
nur wenig nachstand. Fahrplanmäßig passierten wir die Enge
von Obidos und erreichten die Stadt Manaos. Hier wurden wir
aus dem wenig attraktiven einzigen Gasthof von Mr.
Shortman,
dem
Agenten
der
Britisch-Brasilianischen
Handelsgesellschaft, erlöst. Auf seiner gastlichen Fazenda
warteten wir den Tag ab, an dem wir ermächtigt waren,
Professor Challengers Instruktionsbrief zu öffnen. Bevor ich zu
den überraschenden Ereignissen dieses Termins komme,
möchte ich noch gern von meinen Reisegefährten und unseren
in Südamerika angeheuerten Hilfskräften erzählen. Ich
spreche ganz offen und möchte Ihnen, Mr. McArdle, die
Entscheidung überlassen, wie weit mein Material verwendet
beziehungsweise veröffentlicht werden soll.
Die wissenschaftlichen Verdienste Professor Summerlees
sind so allgemein bekannt, daß ich mich nicht mit ihrer
Aufzählung aufzuhalten brauche. Summerlee ist übrigens für
eine derartige anstrengende Expedition besser geeignet, als
man auf den ersten Blick glauben möchte. Sein langer, hagerer,
sehniger Körper ist anscheinend gegen Erschöpfung immun,
und seine trockene, sarkastische und zuweilen auch
unsympathische Art wird von keinem Wechsel seiner
Umgebung beeinflußt. Obwohl er schon fünfundsechzig
Jahre alt ist, habe ich ihn noch nie über Strapazen der Reise
stöhnen hören. Anfangs hatte ich seine Teilnahme an der
Expedition als Behinderung angesehen; inzwischen bin ich
jedoch überzeugt, daß er mir an Ausdauer um nichts nachsteht.
Von Anfang an hat er keinen Hehl daraus gemacht, daß er
Professor Challenger für einen Erzbetrüger und die Expedition
für einen ausgemachten Blödsinn hält. Er prophezeite, daß wir
in Südamerika nichts als Enttäuschung und in England
entsprechenden Spott ernten würden. Mit diesen Ansichten
lag er uns während der ganzen Reise von Southampton bis
Manaos in den Ohren. Sie wurden mit vielen leidenschaftlichen
Grimassen seines hageren Gesichts und erregtem
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