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Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Wackeln
    seines Ziegenbartes vorgebracht. Seit wir hier sind, hat er in der
    Schönheit und Vielfalt der Insekten- und Vogelwelt ringsum
    etwas Trost gefunden – er ist mit Leib und Seele der
    Wissenschaft verschrieben. Tagsüber saust er mit Schrotflinte
    und Schmetterlingsnetz durch die Gegend, und abends ordnet
    er seine zahlreichen erbeuteten Exemplare. Zu seinen
    Eigentümlichkeiten gehört es, daß er sich nachlässig kleidet,
    nicht gerade reinlich ist und Pfeife raucht. In seiner Jugend
    hat er an mehreren wissenschaftlichen Expeditionen
    teilgenommen – er war mit Robertson in Papua –, das Leben
    im Zelt und Kanu ist ihm nichts Neues.
    Lord John Roxton hat einige Punkte mit Professor
    Summerlee gemeinsam, sonst jedoch unterscheiden sie sich
    wie Tag und Nacht. Der Lord ist zwanzig Jahre jünger, hat aber
    annähernd den gleichen mageren, knochigen Körperbau. Sein
    Aussehen habe ich schon in dem in London verbliebenen Teil
    meiner Aufzeichnungen beschrieben. Er benimmt sich äußerst
    aristokratisch und zurückhaltend, kleidet sich stets sorgfältig
    mit weißen Drillichanzügen und hohen braunen Stiefeln und
    rasiert sich mindestens einmal täglich. Wie die meisten
    Tatmenschen macht er nicht viele Worte und bleibt gern mit
    seinen Gedanken allein, ist aber jederzeit bereit, auf eine Frage
    zu antworten oder sich in ein Gespräch einzuschalten, wobei er
    dann in einer seltsam abgehackten, halb scherzhaften Manier
    redet. Seine geographischen Kenntnisse von Südamerika sind
    erstaunlich. Er glaubt fest an den Erfolg unserer Reise und läßt
    sich durch Professor Summerlees abfällige Bemerkungen nicht
    beeinflussen. Seine Stimme ist sanft, sein Betragen gemessen,
    aber seine blitzblanken blauen Augen verraten, daß er durchaus
    zu Zornesausbrüchen und Sturheit fähig ist. Und die können
    um so gefährlicher sein, als sie für gewöhnlich im Zaum
    gehalten werden. Er redete nur wenig über seine Erlebnisse in
    Brasilien und Peru. Die Begeisterung jedoch, die sein
    Erscheinen bei den Eingeborenen längs des Flusses auslöste,
    war beeindruckend. Sie betrachten ihn als ihren Helden und
    Beschützer. Die Ruhmestaten des Roten Häuptlings, wie sie
    ihn nennen, sind bei ihnen schon zur Legende geworden, was
    nicht verwunderlich ist.
    Vor einigen Jahren war Lord John in jenes Niemandsland
    gekommen, das zwischen den nicht exakt festgelegten Grenzen
    von Peru, Brasilien und Kolumbien liegt. In diesem Bezirk
    wächst der wilde Gummibaum: für die Eingeborenen ein Fluch,
    der – wie am Kongo – nur noch mit der Zwangsarbeit in den
    alten Silberminen von Darien unter spanischem Joch
    vergleichbar ist. Eine Handvoll Mestizen beherrschte das Land.
    Sie bewaffneten einige Indianer, die ihnen willfährig waren,
    und versklavten den Rest. Mit den unmenschlichsten Methoden
    terrorisierten sie die Eingeborenen, um sie zum Sammeln des
    Gummisafts zu zwingen, die dann auf dem Fluß nach Para
    gebracht wurden. Lord John Roxton machte sich zum
    Fürsprecher der elenden Geschöpfe und erntete nichts als
    Drohungen und Beschimpfungen. Darauf erklärte er Pedro
    Lopez, dem Anführer der Sklavenhalter, in aller Form den
    Krieg. Er stellte eine Truppe aus entlaufenen Sklaven auf und
    begann einen Feldzug, den er erst beendete, nachdem er den
    berüchtigten Mestizen eigenhändig getötet und das System,
    dessen Hauptvertreter dieser gewesen war, zerstört hatte.
    So war es also kein Wunder, daß der Mann mit den
    flachsblonden Haaren und der weichen Stimme und dem freien,
    unerschrockenen Betragen an den Ufern des großen
    südamerikanischen Flusses beträchtliches Aufsehen erregte.
    Die Dankbarkeit der Eingeborenen wurde aber zum Teil
    aufgewogen vom Haß der Mestizen, die ihre Ausbeutung gern
    fortgesetzt hätten. Eine nützliche Folge seines früheren
    Aufenthaltes ist es, daß er die Lingoa Geral, den
    eigentümlichen Mischmasch aus einem Drittel Portugiesisch
    und zwei Dritteln Indianerdialekten, der in ganz Brasilien
    verbreitet ist, fließend spricht.
    Ich habe bereits erwähnt, daß Lord John Roxton von
    Südamerika geradezu besessen ist. Er spricht mit Begeisterung
    von diesem Land, und diese Begeisterung ist ansteckend. Sie
    zieht sogar mich – trotz meiner unzureichenden Sachkenntnis –
    in ihren Bann und erregt meine Wißbegier. Ich wollte, ich
    könnte den Zauber seiner Vorträge wiedergeben, diese
    einmalige Mischung aus exaktem Wissen und unverbildeter
    Phantasie, die den Zuhörer so fasziniert, daß selbst

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