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Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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maskenhaften Gesicht.
    Dieses Gesicht hatte flammende Augen und verzerrte Züge
    voll Haß und Hohn.
    »Lord Roxton!« brüllte er. »Lord John Roxton!«
    »Ja«, sagte dieser, »hier bin ich.«
    Ein brüllendes Gelächter drang über den Abgrund zu uns.
    »Ja, da bist du, du englischer Hund, und da sollst du auch
    bleiben! Ich habe gewartet und gewartet. Jetzt endlich ist
    meine Stunde gekommen. Es war schwer genug für euch, da
    hinaufzuklettern; ihr werdet es aber noch schwerer haben,
    wieder herunterzusteigen. Ihr verdammten Narren, jetzt sitzt
    ihr in der Falle, ihr alle!«
    Wir waren zu überrascht, um antworten zu können. Das
    Gesicht verschwand, kam aber gleich wieder zum Vorschein.
    »Wir hätten euch beinahe schon mit dem Stein bei der
    Höhle erwischt«, schrie Gomez. »Aber so ist es noch viel besser.
    Es geht langsamer und qualvoller. Eure Knochen werden da
    oben ausbleichen, und kein Mensch wird wissen, wo ihr liegt.
    Niemand wird kommen, euch zu begraben. Und wenn du im
    Sterben liegst, Roxton, dann denk an Lopez, den du vor fünf
    Jahren am Putomayo-Fluß erschossen hast. Ich bin sein
    Bruder. Jetzt kann ich beruhigt sterben. Ich habe ihn gerächt.«
    Hätte der Mischling es damit bewenden lassen und
    schleunigst das Weite gesucht, so wäre alles gut abgelaufen für
    ihn. Sein törichter, südländischer, unwiderstehlicher Hang
    zum Dramatischen jedoch sollte ihm zum Verhängnis werden.
    Roxton war nicht der Mann, den man ungestraft herausfordern
    konnte. Der Mestize stieg auf der uns abgekehrten Seite der
    Felsnadel ab. Aber ehe er den Boden erreichen konnte, war Lord
    John am Rande des Plateaus entlanggelaufen und hatte eine
    Stelle gefunden, von der aus er den Mann sehen konnte. Seine
    Flinte krachte ein einziges Mal. Wir konnten zwar nichts sehen,
    hörten aber den Schrei und darauf den fernen Aufschlag des
    abstürzenden Körpers. Roxton kam mit steinernem Gesicht zu
    uns zurück.
    »Ich blinder Idiot«, sagte er. »Allein durch meine
    Dummheit sind wir in diese Lage geraten. Ich hätte daran
    denken müssen, daß diese Leute ein gutes Gedächtnis haben,
    und hätte mehr auf der Hut sein müssen.«
    »Und was ist mit den anderen? Einer allein kann doch
    unmöglich diesen Baum über die Kante gerollt haben.«
    »Ich hätte ihn auch töten können, habe ihn dann aber doch
    laufen lassen. Vielleicht ist er unschuldig.«
    Jetzt, da wir Gomez’ Motiv kannten, erinnerte sich jeder
    von uns an Einzelheiten seines hinterhältig-zutraulichen
    Benehmens – an seine ständigen Bemühungen, unsere Pläne zu
    erfahren, und seine heimtückischen, haßerfüllten Blicke, die uns
    jedesmal so erstaunt hatten. Wir sprachen darüber, bemüht, uns
    seelisch auf die neuen Verhältnisse einzustellen, aber plötzlich
    wurde unsere Aufmerksamkeit durch eine fast komisch
    wirkende Szene in der Ebene unter uns gefesselt.
    Ein Mann in weißer Kleidung, der nur der überlebende
    Mestize sein konnte, rannte, als ob ihm der Tod im Nacken
    säße. Hinter ihm her, wenige Meter zurück, in riesigen Sätzen
    die ebenholzfarbene Gestalt Zambos, unseres treu ergebenen
    Negers. Zambo sprang dem Flüchtling auf den Rücken und
    schlang ihm die Arme um den Hals. Beide wälzten sich am
    Boden. Einen Augenblick darauf erhob sich Zambo, ignorierte
    den hingestreckten Mann, winkte uns fröhlich mit der Hand
    und kam auf uns zugerannt. Die weiße Gestalt blieb
    bewegungslos liegen.
    Uns war jede Möglichkeit genommen, wieder zu der
    Felsnadel zurückzukommen. Die Verräter waren vernichtet,
    aber das Vermächtnis hatten sie uns hinterlassen. Wir waren
    auf das Plateau verbannt. Einen Weg zurück gab es nicht.
    Unter uns lag die Ebene, dahinter, jenseits des violetten,
    dunstigen Horizonts, floß der Strom, der in die Zivilisation
    zurückführte. Aber das Zwischenglied fehlte. Keine
    menschliche Erfindungsgabe konnte ein Hilfsmittel ersinnen,
    das den Abgrund überbrückte, der zwischen uns und unserer
    heimischen Welt aufgebrochen war. Ein einziger Augenblick
    hatte unsere gesamten Lebensbedingungen von Grund auf
    verändert.
    Dies war aber auch der Augenblick, in dem ich erfuhr, aus
    welchem Holz meine drei Kameraden geschnitzt waren. Zwar
    wurden sie ernst und nachdenklich, behielten aber ihre
    ungebrochene Zuversicht. Gespannt warteten wir auf Zambos
    Erscheinen. Bald tauchte sein ehrliches schwarzes Gesicht über
    dem Felsen auf, und seine massige Gestalt schwang sich auf
    die Spitze der Zinne.
    »Was ich jetzt tun?« rief er.

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