Die Vergessene Welt
riesiger Füße und dem Keuchen gigantischer Lungen
der Drache wieder hinter mir her. Er war mir unmittelbar auf
den Fersen.
Was für ein Narr war ich gewesen, so lange zu überlegen,
ehe ich die Flucht ergriffen hatte. Bis dahin hatte er mich nur
nach dem Geruch verfolgt und war verhältnismäßig langsam
vorangekommen. Als ich aber zu rennen anfing, hatte er mich
gesehen. Und von da ab sprang er in gewaltigen Sätzen. Das
Mondlicht schien auf seine riesigen vorstehenden Augen, auf
die gewaltigen Zahnreihen in seinem offenen Maul und die
blanken Krallen an seinen kurzen, mächtigen Vorderarmen.
Mit einem Entsetzensschrei warf ich mich herum und stürzte
kopflos weiter. Hinter mir wurde der schwere, keuchende Atem
des Ungeheuers lauter und lauter. Schon waren seine schweren
Tritte neben mir, und ich erwartete jeden Augenblick, seinen
Würgegriff im Nacken zu spüren. Da gab es plötzlich einen
Krach – ich stürzte ins Leere, und alles versank in Stille und
Dunkelheit.
§
Als ich wieder zu mir kam – lange konnte ich nicht
besinnungslos gewesen sein, höchstens ein paar Minuten –,
bemerkte ich als erstes den ekelerregenden Gestank. Ich tastete
umher und griff mit der einen Hand in etwas, das sich wie ein
Klumpen Fleisch anfühlte, während ich in der anderen plötzlich
einen Knochen hatte. Über mir ein kreisrunder Ausschnitt des
Sternenhimmels – ich lag also auf dem Grund einer Grube.
Ich rappelte mich auf. Jeder einzelne Knochen tat mir weh,
aber gebrochen schien nichts zu sein. Ich konnte alle Glieder
und Gelenke bewegen.
Als mir langsam wieder einfiel, warum ich überhaupt in
diese Grube gestürzt war, riß ich erschreckt den Kopf hoch,
aber nirgends eine Spur des Ungeheuers. Auch nicht das
geringste Geräusch.
Ich tastete mich vorsichtig durch die Dunkelheit. Die
Wände der Grube fielen schräg ab. Ihr Boden war eben, der
Durchmesser betrug etwa zwanzig Fuß. Überall lagen
Fleischfetzen herum. Sie waren halb verwest, daher der
unerträgliche Gestank.
Genau in der Mitte der Grube berührten meine Finger etwas
Hartes: einen senkrecht stehenden Pfahl, der in den Boden
gerammt war. Er war so hoch, daß ich seine Spitze mit der
Hand nicht erreichen konnte. Er schien mit Fett oder Öl
eingeschmiert zu sein.
Plötzlich erinnerte ich mich an die Schachtel mit
Streichhölzern in meiner Hosentasche. Ich zog sie heraus,
zündete eines an und sah mich in seinem flackernden Schein
um.
Wozu die Grube diente, war mir im selben Moment klar. Es
handelte sich um eine Falle – von Menschenhand gebaut. Der
Pfahl in der Mitte war an die neun Fuß hoch, an seiner Spitze
klebte das vertrocknete Blut von den Tieren, die sich hier
aufgespießt hatten. Die Fleischfetzen auf dem Boden dienten
als Köder.
Menschen könnten sich auf dem Plateau nicht behaupten,
hatte Professor Challenger einmal gesagt. Ihre jämmerlichen
Waffen und Hilfsmittel seien gegen die Untiere, die es
bewohnten, nicht ausreichend. Aber sie hatten sich zu helfen
gewußt und eine Möglichkeit gefunden, zu überleben. In ihre
kleinen Höhlen konnten die Ungeheuer nicht eindringen, sie
boten den Menschen, wie sie nun auch immer aussehen
mochten, Schutz vor räuberischen Angriffen. Gegen die
grenzenlose Kraft der Bestien machtlos, hatten sie auf den
Trampelpfaden Gruben angelegt und damit bewiesen, daß sie
den Tieren doch überlegen waren.
Für einen durchtrainierten Mann wie mich war es keine
Schwierigkeit, die schrägen Wände der Grube zu überwinden,
aber ich brauchte meine Zeit, bis ich wieder nach oben und
damit in die Reichweite des Ungeheuers gelangte, dem ich so
knapp entronnen war. Woher konnte ich wissen, ob es mir nicht
immer noch auflauerte?
Beim Gedanken an ein Gespräch zwischen den beiden
Professoren über die Lebensgewohnheiten der Saurier faßte ich
schließlich Mut. Challenger und Summerlee waren sich einig
gewesen, daß diese Tiere praktisch kein Gehirn besitzen, weil
in ihrer winzigen Schädelhöhle kein Platz dafür vorhanden ist.
Ihr Aussterben sei in erster Linie auf ihre eigene Dummheit
zurückzuführen, die es ihnen nicht ermöglicht hatte, sich neuen
Umweltbedingungen anzupassen.
Falls die Bestie noch auf der Lauer lag, war das ein Beweis
dafür, daß sie begriffen haben mußte, was mit mir passiert war,
und somit die Fähigkeit besaß, Ursache und Wirkung
miteinander in Verbindung zu bringen.
Da der Saurier jedoch laut Challenger und Summerlee
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