Die Vergessene Welt
Haufen
durcheinander, aber nichts davon fehlte. Lediglich die
unverpackten Nahrungsmittel – und ich erinnerte mich, daß
wir eine ganze Menge davon hatten – waren verschwunden. Es
mußten also Tiere gewesen sein, keine Menschen.
Wo aber waren meine Kameraden? Wenn sie von wilden
Tieren zerrissen worden waren, dann hätten Überreste und nicht
nur eine Blutlache vorhanden sein müssen. Ein Ungeheuer wie
jenes, das mich in der Nacht verfolgt hatte, konnte mit
Sicherheit seine Opfer einfach davontragen. In diesem Falle
hatten die anderen die Verfolgung aufgenommen, hätten aber
ganz bestimmt ihre Gewehre mitgenommen. Je länger ich
mich bemühte, die Zusammenhänge in meinem verwirrten und
übermüdeten Kopf zu ergründen, desto rätselhafter erschien
mir alles. Ich suchte den Wald ab, konnte aber keine Spur
finden.
Plötzlich kam mir ein Gedanke, der etwas Trost brachte.
Ich war doch nicht ganz allein auf der Welt. Unten am Fuß der
Klippen und in Rufweite wartete der treue Zambo. Ich ging zum
Rand des Plateaus und blickte hinunter. Da hockte er auf seinen
Decken neben dem Feuer in seinem kleinen Lager. Zu meiner
Überraschung saß ihm ein zweiter Mann gegenüber. Einen
Augenblick hüpfte mein Herz vor Freude. Ich dachte schon,
einer meiner Kameraden wäre heil nach unten gelangt. Aber ein
zweiter Blick zerstörte diese Hoffnung. Im Schein der
aufgehenden Sonne leuchtete die Haut des Mannes rötlich
auf. Er war ein Indianer.
Ich rief laut und schwenkte mein Taschentuch. Zambo sah
sofort hoch, winkte mit der Hand und lief zur Felsenzinne. Kurz
darauf stand er oben nahe bei mir und hörte sich bekümmert
meine Geschichte an.
»Bestimmt der Teufel sie alle holen, Mr. Malone«, sagte er.
»Sie gehen in Teufelsland, und er sie alle holen. Sie auf mich
hören, Mr. Malone, und kommen schnell runter, sonst er Sie
auch noch holen.«
»Aber wie denn?«
»Sie nehmen Kletterpflanzen von Bäumen und werfen zu
mir. Ich binden fest an diesen Stumpf, dann Sie haben
Brücke.«
»Geht nicht«, rief ich zu Zambo hinüber. »Es gibt hier keine
Kletterpflanzen, die uns aushallen würden.«
»Schicken nach Seilen, Mr. Malone. Schicken nach
Indianerdörfern, viele Lederriemen in Indianerdorf. Indianer
unten, ihn hinschicken.«
»Wer ist der Mann?«
»Einer von unseren Indianern. Die anderen ihn auf den Kopf
schlagen und nehmen Lohn weg. Er kommen zu uns zurück.
Jetzt wollen nehmen Brief, bringen Seil – tun alles.«
Einen Brief abschicken! Warum nicht? Vielleicht konnte er
Hilfe bringen. Wenn das nicht der Fall war, so war wenigstens
dafür gesorgt, daß unsere Opfer nicht umsonst waren und die
Nachricht von unseren Entdeckungen London erreichte. Zwei
abgeschlossene Briefe hatte ich schon fertig. Ich wollte diesen
Tag nutzen, noch einen dritten zu schreiben, der meine jüngsten
Erlebnisse bis zu dieser Stunde enthält.
Ich wies Zambo an, am Abend wiederzukommen, und
verbrachte einen trübsinnigen einsamen Tag damit, meine
Abenteuer seit der vergangenen Nacht niederzuschreiben.
Außerdem verfaßte ich einen Hilferuf, der an irgendeinen
weißen Händler oder Dampferkapitän, dem der Indianer
begegnen mochte, gerichtet war. Ich bat darin, uns Seile zu
schicken, da unser Leben davon abhinge. Diese Dokumente
werfe ich Zambo am Abend hinüber, dazu meine Geldbörse
mit drei Goldstücken. Sie sind für den Indianer bestimmt, und
ich verspreche ihm doppelt soviel, wenn er mit Stricken
zurückkommt.
Sie werden also jetzt verstehen, lieber Mr. McArdle, wie
diese Botschaft zu Ihnen gelangt, und Sie werden ferner
wissen, was passiert ist, falls Sie nie wieder etwas von Ihrem
unglückseligen Korrespondenten hören. Heute abend bin ich zu
müde und deprimiert, um noch irgendwelche Pläne zu
schmieden. Morgen muß ich mir eine Möglichkeit einfallen
lassen, wie ich nach den Spuren meiner unglückseligen Freunde
suchen kann, ohne die Verbindung mit dem Lager zu
verlieren.
#13
Ein Anblick, den ich nie vergessen werde
§
Als an jenem trübseligen Abend die Sonne unterging,
erblickte ich die einsame Gestalt des Indianers auf der weißen
Ebene unter mir. Ich beobachtete ihn – unsere einzige schwache
Hoffnung auf Rettung, bis er in den aufsteigenden
Abendnebeln verschwunden war.
Als ich wieder in unser verwüstetes Lager zurückkehrte, war
es bereits ganz dunkel, und mein letzter Blick galt dem Schein
von Zambos Feuer, dem einzigen Lichtpunkt in der weiten
Welt dort
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