Die Vergessene Welt
nackte
Mordlust. Es waren große Kerle, so groß wie Menschen, aber
stärker. Komische glasige graue Augen haben sie, unter roten
Büscheln. Sie saßen einfach da und glotzten und glotzten.
Challenger ist bestimmt kein Hasenfuß, aber sogar er war
eingeschüchtert. Er schaffte es schließlich, sich auf die Beine zu
stellen. Dann brüllte er sie an, sie sollten doch ruhig tun, was
sie mit uns vorhätten. Dann hätten wir’s wenigstens hinter
uns. Ich glaube, der unerwartete Überfall hat ihn ein
Stückchen Verstand gekostet, denn er hat wie ein Wahnsinniger
geschimpft und getobt. Vor seinen verhaßten Journalisten hätte
er sich nicht schlimmer aufführen können.«
»Und dann?«
»Dann dachte ich, daß jetzt alles aus ist, aber da kam
plötzlich die Wende. Die Affen gackerten und schnatterten, bis
sich endlich einer aus ihrer Mitte löste und neben Challenger
stellte. Sie werden es nicht glauben, Malone, aber ich gebe
Ihnen mein Wort, daß die beiden hätten Brüder sein können.
Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich
es selbst nicht glauben. Dieser alte Affenmensch – er war ganz
offensichtlich der Anführer der Meute – war ein Challenger in
rot, mit denselben Schönheitsmerkmalen ausgestattet wie unser
Professor. Derselbe gestauchte Körperbau, dieselben breiten
Schultern, derselbe gewölbte Brustkasten, auch kaum ein Hals,
ein roter, gewellter Bart, buschige Brauen und dieser
herausfordernde Blick, der einen auch bei Challenger rasend
machen kann.«
»Weiter«, drängte ich, als Lord John seine Erzählung
unterbrach, um nach allen Seiten prüfende Blicke zu werfen.
»Als der Affenmensch unserem Professor dann auch noch
eine Pranke auf die Schulter legte«, fuhr er schließlich im
Flüsterton fort, »war das Schauspiel komplett, und Summerlee
lachte, bis ihm die Tränen über das Gesicht liefen. Nicht, daß
er sich über seinen Kollegen lustig gemacht hätte, ich glaube,
es war eher ein Anfall von Hysterie. Wie dem auch sei, die
Affenmenschen stimmten plötzlich in das Lachen ein,
klatschten sich auf die Bäuche und hüpften auf und ab. Die
Fröhlichkeit hielt jedoch nicht lange an, und es wurde wieder
blutiger Ernst. Die Affenmenschen schleppten uns durch den
Wald. Unsere Waffen, die Munition und die anderen Geräte
rührten sie nicht an. Sie hatten allem Anschein nach Angst
davor. Dafür nahmen sie aber mit, was sie an Lebensmitteln
finden konnten – bis auf die Konserven. Die ließen sie liegen,
weil sie nicht ahnten, daß sich darin etwas Eßbares befindet.
Summerlee und ich wurden herumgeboxt und herumgestoßen
und durch die Dornen gezerrt. Sie brauchen sich ja bloß
anzuschauen, wie ich aussehe. Den Affenmenschen macht das
Gestrüpp nichts aus, denn sie haben eine Haut wie Leder.«
»Sie sprechen immer nur von Summerlee und sich«, sagte
ich. »Was war mit Challenger?«
»Das will ich eben erzählen. Challenger wurde eine
Sonderbehandlung zuteil. Ihn trugen vier von den Affen wie
einen römischen Kaiser … Haben Sie das gehört?«
In der Ferne ein klickendes Geräusch. Ähnlich wie das
rhythmische Schlagen von Kastagnetten.
»Da sind sie«, zischte Lord John und lud beide Läufe seines
Gewehrs. »Alles durchladen, Malone. Wir lassen uns nicht
lebend fangen, das schwöre ich Ihnen. Den Krach machen sie,
wenn sie aufgeregt sind … Hören Sie noch etwas?«
»Nur noch ganz weit entfernt«, antwortete ich.
»Der kleine Haufen kann nicht viel ausrichten«, sagte Lord
John, »aber wir müssen damit rechnen, daß es überall von
ihren Suchtrupps wimmelt. Aber zurück zu dem, was
geschehen ist. Sie haben uns in ihr Dorf geschleppt. Es besteht
aus vielleicht tausend Hütten aus großen Blättern und Zweigen,
die in einem Hain ziemlich dicht am Rand der Klippen stehen.
Von hier aus sind es vielleicht drei bis vier Meilen dorthin.
Diese stinkenden Kreaturen haben mich überall angefaßt, es
graust mir vor mir selber. Sie haben uns gefesselt, derjenige,
der mich eingeschnürt hat, konnte Knoten machen wie ein alter
Seebär. Und da lagen wir dann unter einem Baum, die Beine
am Stamm hochgebunden, und wurden von einer der größten
dieser Mißgeburten bewacht, während Professor Challenger in
einer Baumkrone hockte, Ananas aß und den lieben Gott einen
guten Mann sein ließ. Ich muß allerdings sagen, daß er uns
Obst zusteckte und schließlich eigenhändig unsere Fesseln
löste. Aber erst einmal hockte er mit seinem
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