Die Vergessene Welt
den
Notfall bereit, pflegten aber andererseits freundschaftliche
Beziehungen zu ihnen. Wir besuchten auch ihre Höhlen,
äußerst merkwürdige Behausungen, von denen wir nicht
wußten, ob sie durch Menschenhand oder Naturgewalten
entstanden waren. Sie lagen sämtlich in einer Schicht von
verhältnismäßig
weichem
Gestein,
die
zwischen
vulkanischem Basalt und hartem Granit verlief.
Die Öffnungen waren etwa achtzig Fuß über dem Boden.
Lange Steintreppen führten zu ihnen hinauf. Sie waren so
schmal und steil, daß kein Tier sie ersteigen konnte. Innen
waren die Höhlen warm und trocken. Gerade Gänge von
unterschiedlicher Länge führten in den Fels hinein, ihre glatten
grauen Wände waren mit Kohlezeichnungen bemalt, welche
die verschiedenen Formen tierischen Lebens darstellten, von
denen die Einwohner des Plateaus umgeben waren. Selbst wenn
plötzlich alles Leben in Maple-White-Land erlosch, konnte ein
künftiger Forscher hier immer noch im Überfluß Beweise für
die einmalige Fauna finden, die in grauer Vorzeit einmal die
ganze Erde bevölkert hatte.
Seit wir erfahren hatten, daß die riesigen Iguanodone als
zahme Herdentiere von den Indianern gehalten wurden und
einfach wandelnde Fleischvorräte darstellten, glaubten wir,
daß der Mensch hier sogar mit seinen primitiven Waffen die
Vorherrschaft erlangt hatte. Daß er in Wirklichkeit aber nur
geduldet wurde, sollten wir bald feststellen müssen.
Am dritten Tag nach der Errichtung unseres Lagers bei den
Höhlen waren Challenger und Summerlee gemeinsam zum See
hinuntergegangen, wo einige Eingeborene nach ihren
Anweisungen einzelne Exemplare großer Echsen harpunierten.
Lord John und ich waren im Lager zurückgeblieben. Eine
Anzahl von Indianern war auf dem grasbewachsenen Hang vor
den Höhlen mit den verschiedensten Arbeiten beschäftigt.
Plötzlich hörten wir einen schrillen Entsetzensschrei, und das
Wort Stoa erscholl aus hundert Kehlen. Männer, Frauen und
Kinder stürzten von allen Seiten in panikartiger Flucht herbei,
jagten die Treppen hoch und verschwanden in den Höhlen.
Mit wilden Gesten versuchten sie, uns zu verstehen zu
geben, daß wir ihnen folgen sollten, doch wir hatten bereits zu
den Gewehren gegriffen und wollten erst einmal sehen, welche
Gefahr hier drohte. Plötzlich brach aus dem nahen
Baumgürtel eine Gruppe von zwölf bis fünfzehn Indianern
hervor, die um ihr Leben rannten. Ihnen folgten unmittelbar auf
den Fersen zwei jener grausigen Ungeheuer, die einmal unser
Lager umschlichen und mich auf meiner Nachtwanderung
verfolgt hatten. In der Gestalt glichen sie scheußlichen Kröten.
Sie bewegten sich in langen Sprüngen vorwärts und übertrafen
an Größe und Massigkeit jeden Elefanten. Bisher hatten wir sie
nur während der Nacht gesehen – sie sind tatsächlich auch
Nachttiere und lassen sich tagsüber nur dann blicken, wenn
sie, so wie diese beiden, in ihren Schlupfwinkeln gestört
wurden. Ihre fleckige, warzige Haut schillerte bei jeder ihrer
Bewegungen, wir hatten jedoch nicht viel Zeit, sie zu
betrachten, denn in Sekundenschnelle hatten sie die fliehenden
Indianer eingeholt und begannen ein furchtbares Blutbad unter
ihnen anzurichten.
Ihre Methode war einfach: sie ließen sich mit ihrem ganzen
Gewicht auf ihr Opfer fallen, zermalmten es unter sich und
stürzten sich sofort auf das nächste. Die unglückseligen
Indianer schrien vor Entsetzen. Wehrlos waren sie der blinden
Zerstörungswut dieser Kreaturen ausgeliefert.
Kein halbes Dutzend war mehr am Leben, als Lord John
und ich versuchten, ihnen zu Hilfe zu kommen. Unsere
Bemühung hatte nur geringen Erfolg und brachte uns selber in
größte Gefahr. Auf eine Entfernung von nur wenigen hundert
Metern schossen wir unsere Magazine leer und jagten den
Bestien Kugel auf Kugel in den Leib. Die Wirkung war nicht
größer, als hätten wir sie mit Papierkügelchen beworfen. Ihre
Reptiliennatur macht sich nichts aus Wunden, und ihre
Lebenszentren, die nicht in einem Gehirn vereinigt, sondern
über das ganze Rückenmark verteilt sind, konnten durch
unsere modernen Waffen nicht zerstört werden. Das Äußerste,
was wir erreichten, war, daß wir sie mit dem Krach und
Mündungsfeuer unserer Gewehre ablenkten und so für die
Indianer und uns Zeit gewannen, die Höhlen zu erreichen.
Wo jedoch die Explosivgeschosse des zwanzigsten
Jahrhunderts wirkungslos geblieben waren, sollte den
vergifteten Pfeilen der Indianer – in
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