Die Vergessene Welt
einträchtig am Waldrand im hohen Gras lagen, über
uns den tiefblauen Himmel, und das sonderbare Geflügel
bewunderten, das über uns dahinzog. Urweltliche Kleintiere
kamen aus ihren Erdlöchern hervor, um uns anzustarren,
während sich über uns die Zweige unter der Last saftiger
Früchte bogen und um uns seltsame und liebliche Blumen die
Köpfe aus dem Gras reckten. In hellen Mondnächten lagen wir
im Kanu auf der schimmernden Oberfläche des Sees und
betrachteten voller Verwunderung und Ehrfurcht die
gewaltigen Kreise, die sich nach dem plötzlichen Auftauchen
eines phantastischen Ungeheuers ausbreiteten; oder den
grünlichen Schimmer tief unten im Wasser, der von irgendeiner
seltsamen phosphoreszierenden Kreatur im Reich der
Dunkelheit herrührte. Diese Eindrücke und Szenen werde ich
eines Tages ausführlich beschreiben.
Aber, werden Sie fragen, weshalb diese Unternehmungen
und warum dieser Aufschub, wenn wir doch alle Tag und
Nacht nur auf Mittel und Wege sinnen sollten, wie wir wieder
zur Außenwelt zurückkehren könnten? Meine Antwort hierauf
ist, daß es keinen unter uns gab, der sich nicht ständig mit
unserer Befreiung beschäftigt hätte, daß aber unsere Mühen
bisher erfolglos geblieben waren. Eine Tatsache hatten wir sehr
schnell feststellen müssen: Die Indianer wollten uns nicht
helfen. In jeder anderen Hinsicht erwiesen sie sich als unsere
Freunde – man könnte fast sagen, als unsere ergebenen Diener.
Aber sobald davon die Rede war, daß sie uns bei Herstellung
oder dem Transport eines Steges helfen sollten, wenn wir von
ihnen Lederriemen haben wollten oder Lianen, um uns Seile zu
flechten, stießen wir auf freundliche, aber unbeugsame
Ablehnung. Sie lächelten, zwinkerten uns zu, schüttelten den
Kopf, und dabei blieb es. Sogar bei dem alten Häuptling stießen
wir auf den gleichen hartnäckigen Widerstand. Nur Maretas,
der Jüngling, den wir gerettet hatten, blickte uns unschlüssig an
und gab uns durch Gebärden zu verstehen, daß er wegen
unserer unerfüllten Wünsche traurig sei.
Seit ihrem Sieg über die Affenmenschen betrachteten sie uns
als höhere Wesen, die den Tod in den Rohren ihrer rätselhaften
Waffen bei sich trugen. Sie glaubten, solange wir bei ihnen
wären, bliebe das Glück ihnen treu. Großzügig wurde jedem von
uns eine kleine rothäutige Frau und eine eigene kleine Höhle
angeboten – wenn wir für immer bei ihnen auf dem Plateau
bleiben wollten. Soweit war alles äußerst friedlich verlaufen,
wir zweifelten aber nicht daran, daß wir unsere Abstiegspläne
zu gegebener Zeit geheimhalten mußten, denn wir hatten allen
Grund zu fürchten, daß die Indianer noch im letzten
Augenblick
versuchen
würden,
uns
mit
Gewalt
zurückzuhalten.
Trotz der Gefahr seitens der Dinosaurier bin ich in den
vergangenen drei Wochen zweimal nachts zu unserem alten
Lager hinübergegangen, um mit unserem Neger zu sprechen.
Er hielt immer noch die Stellung unterhalb der Klippen.
Angespannt spähten meine Augen über die weite Ebene in der
Hoffnung, vielleicht in der Ferne die ersehnte Hilfe nahen zu
sehen. Aber kahl und leer dehnten sich die unendlichen,
kakteenbewachsenen Flächen bis an die ferne Linie des
Bambusgestrüpps aus.
»Jetzt müssen Sie bald kommen, Mr. Malone. Ehe noch eine
Woche vergehen, Indianer kommen zurück und bringen Seil
und holen Sie runter.«
So lauteten jeweils die ermunternden Zurufe unseres treuen
Zambo.
§
Als ich von meinem zweiten Besuch bei Zambo zurückkam –
ich war die ganze Nacht weg gewesen –, ereignete sich etwas
Seltsames.
Ich war ungefähr noch eine Meile vom Sumpf der
Pterodactylen entfernt, als ich plötzlich eine merkwürdige
Gestalt auf dem mir inzwischen wohlbekannten Weg
entgegenkommen sah. Es war die Gestalt eines Menschen, der
von einem korbähnlichen Geflecht aus dünnen Bambusrohren
umgeben war, aus dem lediglich die Beine herausragten. Beim
Näherkommen glaubte ich, meinen Augen nicht zu trauen: es
war Lord John Roxton. Als er mich sah, schlüpfte er unter
seiner komischen Schutzhülle hervor und kam lachend, aber
gleichzeitig etwas verwirrt auf mich zu.
»So eine Überraschung«, sagte er. »Wer hätte gedacht, daß
wir uns hier begegnen?«
»Was um alles in der Welt haben Sie denn vor?« fragte ich
verdutzt.
»Ich will meine Freunde, die Pterodactylen, besuchen«,
antwortete er.
»Und wieso das?«
»Weil sie höchst interessante Tiere sind, finden Sie
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