Die Vergessene Welt
des Tunnels. Dies
war eine Sackgasse und war es schon immer gewesen.
»Macht nichts, meine Freunde«, sagte der unermüdliche
Challenger. »Mein Versprechen auf einen neuen Ballon gilt
immer noch.«
»Sind wir nicht vielleicht in der falschen Höhle?« fragte ich.
»Nein, junger Mann«, sagte Lord John und zeigte auf das
Stück Rinde. »Siebzehnte von rechts und zweite von links. Das
ist einwandfrei die Höhle, die angekreuzt ist.«
Ich betrachtete das Zeichen und stieß plötzlich einen
Freudenschrei aus.
»Ich glaube, ich hab’s! Kommen Sie! Folgen Sie mir!«
Mit der Fackel in der Hand lief ich den Weg zurück, den wir
eben gekommen waren.
»Hier«, sagte ich und deutete auf einige Streichhölzer auf
dem Boden, »haben wir die Fackeln angezündet.«
»Stimmt.«
»Wenn die Zeichnung stimmt, dann teilt sich die Höhle
nach einem geraden Stück in zwei Arme«, sagte ich. »Wir sind
im Dunkeln an der Gabelung vorbeigelaufen, weil die Fackeln
noch nicht brannten. Der längere Arm biegt nach links ab,
und wir sind rechts gegangen.«
Es war, wie ich gesagt hatte. Keine dreißig Meter weiter tat
sich eine große schwarze Öffnung in der Wand vor uns auf.
Dort entlang liefen wir viele hundert Meter, atemlos vor
Ungeduld. Endlich sahen wir in dem schwarzen Gewölbe vor
uns einen dunkelroten Lichtschimmer, eine glühende Fläche,
die uns den Weg zu versperren schien. Wir hasteten darauf
zu. Kein Laut, keine Wärme, keine Bewegung ging davon
aus. Aber immer heller glühte der seltsame leuchtende
Vorhang vor uns, tauchte die Höhle in silbriges Licht und
verwandelte den Sand in Diamantenstaub. Je näher wir an die
große glühende Scheibe herankamen, desto deutlicher
zeichnete sich ihr Rand ab.
»Donnerwetter, das ist ja der Mond!« schrie Lord John
plötzlich. »Wir sind durch! Wir sind durch!«
Es war tatsächlich der Vollmond, der geradewegs durch die
Öffnung schien, die auf die Klippen hinausführte. Wir fanden
nur einen schmalen Spalt, nicht größer als ein Fenster, aber für
unsere Zwecke genügte er vollkommen. Als wir den Kopf
hindurchsteckten, sahen wir, daß der Abstieg nicht sehr steil
war und der ebene Boden nicht allzu tief unter uns lag. Kein
Wunder, daß wir diese Stelle von unten nicht bemerkt hatten,
denn die Klippen wölbten sich darüber stark nach außen vor.
Wir vergewisserten uns, daß wir mit Hilfe unseres Seils einen
Weg nach unten finden konnten, und kehrten dann
glückstrahlend zu unserem Lager zurück, um die
Vorbereitungen für die Abreise am nächsten Abend zu treffen.
Was wir vorhatten, mußte schnell und heimlich geschehen,
denn auch in dieser letzten Stunde konnten uns die Indianer
immer noch an unserem Vorhaben hindern. Unsere Vorräte
wollten wir zurücklassen, die Gewehre und Patronen natürlich
mitnehmen. Mit Challengers Sachen hatten wir die meiste
Mühe. Ein Paket, von dessen Inhalt ich nicht sprechen darf,
brachte uns schier an den Rand unserer Geduld.
Der Tag wollte nur sehr langsam vergehen. Bei Einbruch
der Dunkelheit waren wir fertig. Mit vieler Mühe schafften wir
unsere Sachen die Treppen hinauf und wandten uns dann
zurück, um zum Abschied noch einen letzten langen Blick auf
dieses seltsame Land zu werfen, das bald von Jägern und
Schatzsuchern überlaufen sein wird, für uns aber immer ein
Traumland voller Zauber und Romantik bleibt. In diesem Land
haben wir viel gelitten, viel gewagt und viel gelernt. »Unser
Land«, wie wir es liebevoll nennen werden. Links von uns der
warme, rote Feuerschein der bewohnten Höhlen. Am Hang
unter uns die lachenden und singenden Stimmen der Indianer.
Gegenüber der weite Bogen der Wälder und in der Mitte
undeutlich der große See, die Heimat der merkwürdigsten
Ungeheuer. Während wir so dastanden und diesen Anblick
zum letztenmal in uns aufnahmen, klang ein hoher,
wimmernder Schrei durch die Dunkelheit, der Ruf irgendeines
unheimlichen Tieres – die Stimme des Maple-White-Landes,
die uns einen Abschiedsgruß zurief.
Wir drehten uns um und verschwanden in der Höhle, die
zur Heimat führte. – Zwei Stunden später standen wir mit
unseren Paketen und all unseren Habseligkeiten am Fuß der
Klippen. Bis auf den Transport von Challengers Gepäck hatten
wir keinerlei Schwierigkeiten gehabt. Wir ließen zunächst
alles an Ort und Stelle liegen und brachen zu Zambos Lager
auf. Am frühen Morgen kamen wir dort an und sahen zu
unserer großen Verwunderung ein Dutzend Feuer
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