Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
fügt Walter hinzu.
Man sieht ihm an, dass ihm die Situation etwas unangenehm ist.
»Ich wäre auch lieber nach Hause gefahren, aber die beiden haben darauf bestanden, dass ich bei Ihnen untergebracht werde.«
»Bei sich zu Hause wäre Walter momentan vielleicht nicht sicher«, erklärt Kimski.
»Versteh schon. Ihr braucht mir gar nicht alles zu erzählen. Ihr habt euch also mal wieder in Gefahr gebracht. Na ja. Hat das immer noch mit dieser Widerstandsgeschichte zu tun?«
»Ja, aber die Details brauchst du nicht zu erfahren.«
Eigentlich gibt es auch nicht viel, was sie ihm erzählen könnten, denkt Kimski. Sie wissen ja selbst nicht, wer in dem Fechtanzug steckt und warum er es auf Walter abgesehen hat.
»Wir holen Sie ab, sobald wir wissen, dass Sie wieder sicher sind, und dann fahren wir Sie nach Hause«, sagt Eva und legt Walter eine Hand auf die Schulter.
»Ob dieser Schulze wirklich tot ist?«, fragt Kimski, als er mit Eva das Treppenhaus hinabsteigt. »Walter hat jedenfalls all die Jahre geglaubt, Schulze hätte das Kriegsende nicht überlebt.«
»Vielleicht ist er auferstanden.«
»Als Geist im Fechtanzug, der auf dem Mannheimer Hauptfriedhof sein Unwesen treibt?«
»Wer weiß.«
»Lass uns noch mal rekapitulieren, was wir bis jetzt alles haben«, schlägt Eva vor.
»Die Namen von drei Widerstandskämpfern.«
»Ja, von denen einer tot ist, Eugen. Walter hat uns alles erzählt, was er weiß. Und dann gibt es da noch Klara. Aber solange wir ihren Nachnamen nicht wissen, bringt uns das wohl kaum weiter.«
»Ich weiß. Alles, was wir wissen, ist, dass sie in den Sechzigerjahren mit Eugen Kämper zusammen war.«
»Was uns nicht wirklich weiterbringt.«
Sie sind an Kimskis Wagen angelangt. Er tritt an die Fahrerseite und öffnet die Tür.
»Du brauchst mich nicht zu fahren, ich nehme die Bahn.«
Kimski sieht sie verwirrt an.
»Ehrlich? Willst du allein in die OEG? Ich kann dich wirklich gern nach Hause bringen.«
»Ich bin erwachsen, Kimski. Meinst du nicht, dass ich am helllichten Tag ohne Begleitung nach Heidelberg fahren kann?«
Kimski antwortet nicht. Es wäre sicherer, wenn er sie bringen würde.
»Was machst du jetzt? Ich meine, was sagst du deiner Auftraggeberin? Sie ist nach wie vor die einzige Verdächtige.«
Kimski zuckt mit den Achseln.
In seiner Wohnung angekommen schmeißt er sich auf die Couch mit dem festen Entschluss, nicht so bald wieder aufzustehen. Kann er wirklich gegen seine Auftraggeberin ermitteln? Immerhin ist er kein Polizist mehr, sondern Privatdetektiv, und die ermitteln in der Regel für ihre Klienten, die sie bezahlen. So etwas darf sich nicht herumsprechen, sonst hat er bald gar keine Kunden mehr. Sein Blick fällt auf das Telefon. Er könnte Maria Kampowski einfach anrufen. Er greift zum Hörer und starrt ihn an. Ganz richtig, er sollte sie anrufen, aber nicht mehr heute.
Eva hat Lukas die Wahl des Restaurants überlassen. Er entscheidet sich für ein kleines spanisches Restaurant, Tres Mares, das sich in einem Kellergewölbe am Rande der Heidelberger Altstadt in der Nähe der Bergbahnstation befindet. Eine sehr gute Wahl, muss Eva zugeben, denn so hat sie die Möglichkeit, zwischen zahlreichen Fischspezialitäten zu wählen. Sie entscheidet sich schließlich für gefüllte Forelle mit Schinken.
Die Gespräche mit Lukas sind geistreich und unterhaltsam. Wie sich herausstellt, ist er promovierter Soziologe und arbeitet am Soziologischen Institut an einem Forschungsprojekt, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Lehren Max Webers zu vertiefen. Lukas spricht viel und gern über seine Arbeit.
Als Eva von ihrer Jugend in Italien erzählt, fängt er an, einen Vortrag über die italienische Oper zu halten. Sie schmunzelt. Er redet viel, keine Frage, aber es macht ihr Spaß, ihm zuzuhören.
Es wird spät und Lukas begleitet sie zu Fuß nach Hause. Er hat darauf bestanden und Eva hat nicht protestiert. Als sie im Restaurant aufgestanden sind, hat er ihr in ihre Jacke geholfen und ihr die Tür aufgehalten. Kleinigkeiten. Aufmerksamkeiten.
»Also dann«, sagt er, als sie vor ihrer Haustür angekommen sind.
»Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, erwidert sie und gibt ihm links und rechts einen Kuss auf die Wange, wie es in Südeuropa üblich ist, um sich zu verabschieden.
Als aber ihre Haut die seiner Wange berührt, verharrt sie für einen Moment in der Bewegung. Die Nähe fühlt sich gut an und in ihrer rechten Wade fängt es an zu kribbeln. Ein Zeichen,
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