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Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Titel: Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Salvatore
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holte einen kleinen Holzklotz aus seiner Gürteltasche und zog einen silbernen Schlüssel von einer Kette, die er um den Hals trug. Den Holzklotz hielt er ruhig vor sich hin und legte die Finger der einen Hand unter das Vorhängeschloß. Dann steckte er vorsichtig den Schlüssel in das Schloß.
    Doch dann kam der komplizierte Teil. Während Bruenor langsam den Schlüssel herumdrehte, lauschte er aufmerksam. Als er hörte, daß das Schloß entriegelt wurde, nahm er allen Mut zusammen und ließ schnell den Schlüssel los. Das schwere Schloß schwang auf und gab einen Hebel frei, der zwischen dem Schloß und der Truhe eingeklemmt worden war und unter Federdruck losschnellte. Ein kleiner Stachel schlug in den Holzklotz ein, und Bruenor atmete erleichtert auf. Obwohl er die Falle vor einem Jahrzehnt gestellt hatte, wußte er, daß das tödliche Gift der Tundra-Witwenmacherschlange immer noch wirksam war.
    Seine ängstliche Anspannung wich im selben Augenblick ungeheurer Aufregung. Eilig entfernte er die Ketten von der Truhe und blies den Staub von dem Deckel. Er wollte ihn gerade hochheben, als er sich besann. Indem er sich an die Bedeutung jeder Handlung erinnerte, fand er zu seiner feierlichen Gelassenheit zurück.
    Jemand, der auf diese Truhe stieß und die tödliche Falle überwand, würde die Schätze in ihr bejubeln. Ein silberner Kelch, ein Sack voll Gold und ein mit Juwelen besetzter, aber ansonsten schlecht gearbeiteter Dolch lagen zwischen vielen anderen, eher persönlichen und weniger wertvollen Gegenständen. Ein zerbeulter Helm, alte Stiefel und ähnliches würden bei einem Dieb wenig Anklang finden.
    Doch alle diese Gegenstände dienten nur dazu, etwas anderes zu verdecken. Bruenor nahm sie heraus und warf sie achtlos auf den schmutzigen Boden.
    Die schwere Truhe stand auf der Erde, und nichts ließ darauf schließen, daß noch mehr zu finden sei. Aber Bruenor hatte den Boden der Truhe herausgeschnitten und ihn so geschickt wieder eingesetzt, daß selbst ein gründlicher Dieb geschworen hätte, sie berührte mit diesem Boden die Erde. Der Zwerg stocherte in einem kleinen Astloch am Boden der Truhe herum und stieß seinen dicken Finger durch die Öffnung. Auch hier hatte sich das Holz über die Jahre verzogen, und Bruenor mußte heftig daran zerren. Endlich löste es sich mit einem so plötzlichen Ruck, daß Bruenor nach hinten stürzte. Doch sofort war er wieder an der Truhe und spähte über den Rand neugierig auf seine kostbarsten Schätze.
    Ein Klotz reinstes Mithril, ein kleiner Lederbeutel, ein goldenes Kästchen und ein silberner Schriftrollenbehälter, der an einem Ende mit einem Diamanten verziert war, lagen genauso da, wie Bruenor sie vor langer Zeit verstaut hatte.
    Bruenors Hände zitterten, und er mußte innehalten und sich mehrmals den Schweiß abwischen, als er die kostbaren Gegenstände aus der Truhe nahm. Den Mithrilblock legte er auf eine Decke, die er ausgebreitet hatte, und die restlichen Gegenstände packte er in seinen Tornister. Dann setzte er schnell den falschen Boden wieder ein, achtete darauf, dass das Astloch wieder genau in das Holz paßte, und legte die anderen Gegenstände zur Tarnung darüber. Er verkettete und verschloß die Truhe und ließ alles so zurück, wie er es vorgefunden hatte. Allerdings sah er jetzt keinen Grund mehr, es auf einen Unglücksfall ankommen zu lassen, und verzichtete auf die tödliche Falle.
    Bruenor hatte sich eine Schmiede in einer verborgenen Nische am Fuß von Kelvins Steinhügel gebaut. Es war ein Ort der Einsamkeit. Diese Gegend am nördlichen Ende vom Zwergental, wo an der westlichen Seite des Berges Bremens-Paß in die offene Tundra überging, während auf der östlichen Seite der Eiswindpaß verlief, wurde selten von jemandem aufgesucht. Zu seiner Überraschung stellte Bruenor fest, daß hier der Stein hart, rein und tief durchdrungen von der Kraft der Erde war und seinem kleinen Tempel gut dienen würde.
    Wie immer näherte sich Bruenor diesem heiligen Ort mit gemessenen, ehrfürchtigen Schritten. Da er jetzt die Schätze seines Erbes bei sich trug, wanderten seine Gedanken unwillkürlich zurück in die Vergangenheit zur Mithril-Halle, zu der uralten Heimat seines Volkes und zu der Rede seines Vaters an dem Tag, als er seinen ersten Schmiedehammer erhalten hatte.
    »Wenn du für das Handwerk besondere Begabung hast«, hatte sein Vater gesagt, »und das Glück hast, lange genug zu leben und die Kraft der Erde zu spüren, dann wirst du

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