Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
trat, ohne die beiden freien Stühle zu beachten, hinter seine Frau, der er die Hände auf die Schultern legte.
»Ich habe deiner Frau gerade erklärt, dass mein Lord, der auch der eure ist, die Anwesenheit eurer ältesten Tochter heute beim Abendmahl auf Burg Auck wünscht«, sagte der Verwalter.
Diese unglaubliche Nachricht traf Dohni Ganderlay wie ein Keulenschlag, aber es gelang ihm, sein Gleichgewicht und seinen Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu behalten, während er über das Gesagte nachdachte. Er schaute in Temigasts alte, graue Augen, um hinter die Worte zu blicken.
»Ich habe natürlich angemessene Kleider für Fräulein Meralda in der Kutsche, solltet ihr zustimmen«, endete Temigast mit einem beruhigenden Lächeln.
Der stolze Dohni Ganderlay sah hinter diese lächelnde Fassade, hinter den höflichen und respektvollen Tonfall. Er sah die Arroganz, die dort lauerte, und das Selbstbewusstsein Temigasts. Natürlich konnten sie nicht ablehnen, so glaubte Temigast, denn schließlich waren sie nur dreckige Bauern. Der Lord von Auckney hatte gerufen, und die Ganderlays würden diensteifrig und unterwürfig angerannt kommen. »Wo ist Meralda?«, fragte der Mann seine Frau.
»Sie und Tori sind zum Handeln gegangen«, erklärte Biaste. Dohni konnte das schwache Beben in ihrer Stimme nicht überhören. »Um ein paar Eier für das Abendessen zu besorgen.«
»Meralda kann heute Abend ein Festmahl zu sich nehmen und vielleicht noch an vielen weiteren Tagen«, sagte Temigast.
Hier sah Dohni sie erneut, diese verdammte Arroganz, die ihn an sein eigenes Los erinnerte und an das Schicksal seiner Kinder und all seiner Freunde.
»Dann wird sie also kommen?«, drängte Temigast nach einem langen, unangenehmen Schweigen.
»Diese Entscheidung liegt bei Meralda«, erwiderte Dohni in schärferem Ton, als er gewollt hatte.
»Ah«, meinte der Verwalter nickend und lächelnd, ständig nur lächelnd. Er erhob sich und bedeutete Biaste, sitzen zu bleiben. »Natürlich, natürlich, doch komm mit und hole das Kleid, Meister Ganderlay. Solltest du dich entscheiden, die junge Dame zu schicken, wird es besser und einfacher sein, wenn sie es hier hat.« »Und wenn sie nicht gehen will?«
Temigast zog eine Augenbraue in einer Geste hoch, die deutlich machte, wie absurd er diese Vorstellung fand. »Dann werde ich natürlich meinen Kutscher morgen wieder herschicken, um das Kleid abzuholen«, sagte er.
Dohni schaute zu seiner kranken Frau hinab, zu dem bittenden Ausdruck auf ihren viel zu zarten Zügen.
»Meister Ganderlay?«, fragte Temigast und deutete auf die Tür. Dohni klopfte Biaste leicht auf die Schulter und ging mit dem Verwalter hinaus zur Kutsche. Der gnomische Kutscher erwartete sie mit dem Kleid in den Händen und hatte die Arme nach oben gereckt, damit der zarte Stoff nicht im Schmutz der Straße schleifte. »Du tätest gut daran, deine Tochter dazu zu bewegen, zu kommen«, riet Temigast, während er Dohni das Kleid übergab, was diesen nur dazu brachte, seine Züge noch mehr versteinern zu lassen. »Deine Frau ist krank«, argumentierte Temigast. »Zweifellos wird ihr eine jämmerliche Existenz in einem zugigen Haus nicht gut tun, wenn der kalte Winter naht.«
»Du sprichst, als hätten wir eine Wahl in dieser Sache«, erwiderte Dohni.
»Lord Feringal ist ein Mann, der bedeutende Mittel besitzt«, erklärte Temigast. »Er verfügt über Zugang zu erstaunlichen Kräutern, warmen Betten und mächtigen Klerikern. Es wäre eine Schande, wenn deine Frau unnötigerweise leiden sollte.« Der Verwalter klopfte auf das Kleid. »Wir nehmen unser Mahl direkt nach Sonnenuntergang ein«, sagte er. »Ich werde die Kutsche bei Dämmerung an deinem Haus vorfahren lassen.« Damit stieg Temigast in das Gefährt und schloss die Tür. Der Kutscher knallte ohne Zeit zu verschwenden mit der Peitsche, um die Pferde in Bewegung zu setzen.
Dohni Ganderlay stand eine lange Zeit in der Staubwolke, die von der davonfahrenden Kutsche aufgewirbelt worden war, und starrte mit dem Kleid in den Händen ins Nichts. Er wollte schreien, dass Lord Feringal, wenn er ein Mann mit so guten Beziehungen und wohlwollendem Wesen war, seine Mittel freiwillig zum Nutzen seiner Untertanen verwenden sollte. Leute wie Biaste Ganderlay sollten in der Lage sein, die Hilfe zu bekommen, die sie brauchten, ohne ihre Töchter verkaufen zu müssen. Was Temigast ihm gerade angeboten hatte, bedeutete, seine Tochter zum Wohle der Familie zu verschachern. Seine Tochter
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