Die verlorene Bibliothek: Thriller
Arnos Briefen zurück.
»In Holmstrands Briefen heißt es, er wisse, wo die Bibliothek sei«, sagte sie und nickte in Richtung der Papiere in Kyles Händen. »Und er spricht auch von irgendeiner ›Gesellschaft‹ und sagt, dass man ihn für dieses Wissen töten werde.«
»Miss Wess«, erwiderte Wexler im typischen Tonfall eines Professors vor seiner Studentin, »Historiker suchen die Bibliothek schon seit Jahrhunderten, und …«
»Ich weiß«, unterbrach Emily seinen Vortrag. »Glauben Sie mir, ich weiß es. Doch diese Behauptung hat ihn tatsächlich das Leben gekostet; daher denke ich schon, dass es die Sache wert ist, das Ganze weiterzuverfolgen.« Sie atmete ein paar Mal tief durch und versuchte, die wenigen Puzzleteile zusammenzufügen, die sie bisher kannte. »Was mich am meisten verwirrt, Professor, ist die Art, wie er gestorben ist. Offensichtlich war ein Profi für den Mord verantwortlich, und Professor Holmstrand hat gewusst, dass der Killer kommen würde. Diese Briefe sind einen Tag vor seinem Tod abgeschickt worden. Warum ist der alte Mann ermordet worden?«
Arnos Ermordung, die der Grund für diese Briefe und die Spuren war, die der alte Mann mit seinem Leben beschützt hatte, hatte Emily hierhergeführt, und doch sah sie noch immer keinen Sinn dahinter. »Es passt einfach nicht zusammen«, erklärte sie. »Zugegeben, das in der Bibliothek enthaltene Wissen war einst riesig; aber deshalb einen Mann zu töten …? Was könnte heutzutage noch in der Bibliothek stehen, um ein solches Verbrechen zu rechtfertigen?«
»Es ist mehr als das.«
Emily hatte Kyle schon fast vergessen. Deshalb war sie jetzt von seinem Einwurf auch so überrascht.
»Wie bitte?«
Kyle hob den Blick. Die Briefe lagen noch immer auf seinem Schoß.
»Tut mir leid«, sagte er, »aber die Bibliothek allein ist nicht alles. Schauen Sie sich das mal an«, fuhr er fort und gab Wexler die Briefe. »Lesen Sie den einen Satz da, gut zwei Drittel die Seite runter.«
Wexler überflog die Zeile.
» Sie existiert wirklich wie auch die Gesellschaft, die dazugehört. Keines von beiden ist verloren. «
»Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen folgen kann, junger Mann.« Wexler gab die Blätter an Emily weiter.
»Er sagt nicht nur, dass er von der Bibliothek wisse«, erklärte Kyle. »Er schreibt, dass sie existiert ›wie auch die Gesellschaft, die dazugehört‹.« Er hielt kurz inne, während Emily sich noch einmal Arnos inzwischen vertraute Handschrift anschaute.
»Und das …«, sagte Kyle schließlich. »Nun ja, das macht einen ganz gewaltigen Unterschied.«
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
13:00 U HR GMT
»Wie viel wissen Sie über die unterschiedlichen Theorien zur Zerstörung der Bibliothek?« Kyle Emory stand nun im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Emily und Wexler. »Ich meine speziell die Theorien über ihren Weiterbestand.«
Emily zögerte.
»Über das Verschwinden zu spekulieren ist eine Sache, Theorien über ein Fortbestehen aber etwas vollkommen anderes.«
Kyle schaute sie forschend an. »Zugegeben. Aber Sie sind wegen der Spekulation hier, dass sie noch immer existieren könnte; also sollten wir für alle Möglichkeiten offen sein.« Er hielt kurz inne, wartete, bis Emily zustimmend nickte, und fuhr dann fort: »Machen wir mal einen Schritt zurück, und beginnen wir mit den Theorien zu ihrem Verschwinden.«
»Allgemein gilt als gesichert, dass sie zerstört worden ist«, erklärte Emily, »aber was das Wann, Warum und von Wem betrifft, herrscht keine Einigkeit.«
»Stimmt«, bestätigte Kyle. »Die meisten Akademiker gehen schon seit Ewigkeiten davon aus, dass die Bibliothek 48 v. Chr. während Caesars Eroberung der Stadt versehentlich verbrannt worden ist.«
»Aber ein paar Jahre später hat Marcus Antonius Kleopatra doch noch einen ganzen Berg von Schriftrollen geschenkt«, warf Wexler ein. »Ein verdammt gutes Hochzeitsgeschenk, wie ich bemerken möchte. Meine Frau hat mir nur eine Erstausgabe von Tolkien und einen gravierten Humidor geschenkt. Mann, was ist die geizig.«
Emily und Kyle lachten leise über Wexlers seltsame Vorstellung von Romantik.
»Okay«, sagte Kyle und konzentrierte sich wieder. »Aber wie auch immer, lassen wir die Romantik mal beiseite. Inzwischen ist die Theorie, dass die Bibliothek während Caesars Kämpfen dort abgefackelt worden ist, weitgehend verworfen worden.«
»Ja«, bestätigte Emily. »Wir haben Aufzeichnungen antiker Schriftsteller, die davon berichten, die Bibliothek noch
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