Die verlorene Koenigin
der verzweifelten Hoffnung, eine Nachricht von ihm zu bekommen. Doch es kam keine. Ihre Laune schwankte zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Gut, dass sie ihn los war und alles, was mit ihm zu tun hatte. Es ging ihr besser ohne das ganze Elfenbrimboriu m – sie schuldete dem Königreich gar nichts. Hatte sie nicht schon genug getan? Sie hatte den Sonnenschein zurück ins Elfenreich gebrach t – sie hatte die Große Dämmerung beendet oder wie auch immer sie das dort nannten. Was erwarteten sie denn noch von ihr? Sollte doch jemand anderes Titania finden!
Außerdem sehnte sie sich danach, sicher zu sein vor Gabriel Drake. Sie musste dauernd an ihn denken: Lebhafte Erinnerungen an seine samtige, grausame Stimme und seine unheilvoll schimmernden Augen drängten sich in ihr Bewusstsein. Und in diesem trostlosen Augenblick kam ihr ein neuer Gedanke: Wenn sie dem Elfenreich den Rücken kehrt e – Oberon, Edric, ihren Schwestern und Titani a –, vielleicht wäre sie dann auch Gabriel los, wäre frei von ihm und allem, was ihr das Leben schwer machte.
Doch dann gab es wieder Zeiten, in denen sie sich danach sehnte, in Edrics Armen zu liegen, ihm zu erzählen, was sie ängstigte und verwirrte, zu hören, wie er Worte sprach, die alles wieder in Ordnung bringen würden.
Am Dienstag gelang es ihr, Edric den ganzen Tag aus dem Weg zu gehen. Sie empfand es als Erleichterung und Qual zugleich. Diese Wechselbäder der Gefühle wurden nun beinahe zu einem normalen Bestandteil ihres Lebens. Sie konnte sich nur schwer daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal rundum wohl in ihrer Haut gefühlt hatte.
Die Schule war aus, und sie ging mit Jade und einigen Mitschülern zum Ausgang, als plötzlich Edric vor ihnen um die Ecke bog und auf Tania zukam. Sie spürte, wie sie sich verkrampfte.
Sie vermied jeden Blickkontakt. Ein paar Leute drängelten sich vorbei und Edric wurde gegen sie geschubst. Sie warf ihm nicht mal einen flüchtigen Blick zu und verriet mit keinem Wimpernzucken, dass sie ihn gesehen hatte.
»Hm«, sagte Jade. »Das war ja hochinteressant.«
»Was denn?«
»Ach nichts. Heute findet also keine Probe mit deinem Liebsten statt?«
»Morgen wieder«, erwiderte Tania mit zusammengekniffenen Lippen.
Jade sah ihr prüfend ins Gesicht, während sie durch den Eingangsbereich liefen. »Ihr kommt doch klar, ode r – du und Cedric?«
»Alles in bester Ordnung«, antwortete Tania mit müder Stimme; das war ein Spruch ihres Vaters: Alles in bester Ordnung.
»Na, das ist ja schön. Bist du deshalb auch so ungeheuer fröhlich, kleine Miss Sonnenschein?«
»Mir geht es fabelhaft, danke«, entgegnete Tania.
»Na, das sehe ich aber anders«, meinte Jade. »Ich denke, es ist an der Zeit, dass Krankenschwester Jade dir ein Heilmittel verschreibt.« Sie hakte sich bei Tania unter. »Und ich habe da auch schon eine geniale Idee: Du kommst mit meinen Eltern und mir nach Florida.«
»Tolle Idee, Jade«, sagte Tania mit unbewegter Miene. »Willst du mich im Koffer einchecken oder in deinen Rucksack quetschen und mich dann im Handgepäck verstauen?«
»Okay, das war jetzt ziemlich bissig«, sagte Jade. »Aber da du in letzter Zeit echt viel Stress hattest, wollen wir mal großzügig darüber hinwegsehen.« Sie drückte Tanias Arm. »Und jetzt hör gut zu, wie ich das geplant habe. Dan hat nämlich gestern Abend von der Uni aus angerufen. Er hat sich entschieden, mit seinen Freunden eine Art spirituellen Trip durch Indien zu unternehmen. Anscheinend will er im Lotussitz oben auf einem Berggipfel Fingerzimbel spielen oder so was Verrücktes. Wir haben jetzt also ein Flugticket und ein Bett in der Ferienwohnung übrig, alles schon gebucht und bezahlt. Meine Eltern meinten, es wäre total cool, wenn du mitkämst.« Sie sah Tania an. »Was sagst du dazu? Ist das nicht die Antwort auf all deine Gebete? Bin ich nicht die weltbeste Freundin, die du jemals hattest? Auf die letzte Frage antworte bitte zuerst.«
Tania war verblüfft mitten im Gang stehen geblieben. »Florida?«, stieß sie hervor.
»Ja. Du bist weg von all deinen Sorgen und hast megamäßigen Spaß mit dem totalen Partygirl.« Jade musterte sie und runzelte dann die Stirn. »Hey, komm schon, da braucht man doch nicht lange zu überlegen!«, sagte sie. »So eine Gelegenheit kriegst du nur einmal im Leben!«
»Ich muss meine Eltern fragen«, murmelte Tania benommen. »Sie wollen, dass ich mit ihnen nach Cornwall fahre.«
»Hm.« Jade tippte sich mit dem
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