Die verlorene Koenigin
ohne mich vorher zu fragen. Hier wimmelt es von Metall.«
Cordelia warf ihr einen angewiderten Blick zu. »Warum umgebt ihr euch mit Isenmort?«, fragte sie. »Wie erträgst du das?« Sie sah sich mit zusammengekniffenen, misstrauischen Augen um. »Dein Gemach ist gar nicht schön, Tania. Es gibt zu viele spitze Ecken und Kanten, es ist hässlich und unnatürlich. Es gefällt mir nicht.« Sie runzelte die Stirn. »Und was ist dieser fauliger Geschmack in meinem Mund? Ist die Luft in dieser Welt so schlecht, dass sie wie Wermut schmeckt?«
»Nein, das ist nicht normal«, antwortete Tania. »Ich glaube, dass Drake dafür verantwortlich ist.«
»Drake?«, sagte Sancha. »Nein, Schwester, es ist ein viel ärgerer Feind. Doch ich brauche Wasser, um den schlechten Geschmack zu vertreiben, ehe ich weiterspreche.«
»Wir gehen in die Küche«, entschied Tania und sah ihre Schwestern verwirrt an.
Ein schlimmerer Feind als Gabriel Drake? War das überhaupt möglich?
Sancha bückte sich und hob das längliche Bündel auf. Sie folgte Tania, die gemeinsam mit Cordelia half, Zara die Stufen hinunterzuführen. Tania entging nicht, dass Sancha und Cordelia ihre neue Umgebung misstrauisch beäugten.
»Es ist alles so klein und trostlos«, murmelte Cordelia, als sie in den Flur kamen und auf die Küche zusteuerten. »Sehnt ihr euch in dieser Welt denn nicht nach Weite und Schönheit?«
Tania antwortete nicht. Sie war verlegen, was ihr einfaches Zuhause anging. Die Prinzessinnen kannten nur prachtvoll ausgestattete Gemächer, breite Gänge und polierte Eichenholztreppen. Sie waren prunkvolle Wandteppiche und Gemälde, hohe stuckverzierte Zimmerdecken und leuchtende Buntglasfenster gewöhnt. Auf sie musste dieses hundsgewöhnliche Haus in Camden völlig farb- und leblos wirken.
»Passt auf, was ihr berührt«, mahnte Tania, als sie die Küche betraten. »In diesem Raum gibt es viele Metallgegenstände. Setzt euch an den Tisch und ich hole euch was zu trinken.«
Sancha legte die beiden unförmigen Bündel in die Mitte des Kieferntisches und die drei Schwestern nahmen Platz. Zara hob den Kopf und blickte sich blinzelnd um. Sie hatte schon ein ganz klein wenig Farbe bekommen und schien sich langsam zu erholen.
»Mir schwirrt der Kopf«, sagte sie sanft. »Hatte Eden Erfolg? Ist das die Welt der Sterblichen?«
»Leider ja«, sagte Cordelia bitter.
»Du bist bei mir zu Hause«, sagte Tania, nahm eine Packung Milch aus dem Kühlschrank und stellte vier Gläser auf den Tisch. Dann setzte sie sich, schenkte ein und reichte jeder ein Glas.
»Bei dir zu Hause?«, rief Zara aus und blickte sich um. »Oh! Schon oft hab ich mich gefragt, wie es in der Menschenwelt wohl is t … abe r …« Sie stockte. »Es ist so sonderba r … wie in einem Traum.«
»Oder einem Albtraum«, murmelte Cordelia. »Lieber wär ich im Elfenreich geblieben und hätte gegen den Hexenkönig gekämpft.«
»Das hätte unser Ende bedeutet«, erwiderte Sancha ruhig. »Und unser Opfer hätte niemandem geholfen!«
Cordelia blieb ihr eine Antwort schuldig.
Sie tranken gierig, und für einen Moment schien niemand bereit oder imstande zu sein, das Schweigen zu brechen.
Während sie stumm zusammensaßen, bemerkte Tania, dass Cordelia dauernd aus dem Fenster schaute und sehnsüchtig die Büsche und Bäume im Garten musterte.
Sancha betrachtete kritisch die Küchenausstattung: Kühlschrank, Herd, Mikrowelle, Kaffeemaschine sowie Messer und Küchenutensilien, die aufgereiht an der Wand über der Arbeitsfläche hingen. Die Chromspüle und die Wasserhähne aus Metall.
»Was für eine befremdliche Welt«, murmelte sie leise. »Sie bereitet mir Unbehagen, trotzdem möchte ich mehr über sie erfahren.«
»Diese Flüssigkeit scheint Milch zu sein«, sagte Zara und starrte in ihr leeres Glas. »Doch sie schmeckt ganz anders als alles, was ich je zuvor getrunken habe. Von welchem Tier stammt sie?«
»Von Kühen«, antwortete Tania. »Mit ihr wird etwas gemacht, damit sie länger haltbar bleibt, deshalb findet ihr wahrscheinlich den Geschmack ungewohnt.« Sie blickte ihre Schwestern an. Es war so bizarr, sie hier am Küchentisch sitzen zu sehen, und Tania musste sich selbst immer wieder daran erinnern, dass dies alles hier doch kein Traum war.
»In der Welt der Sterblichen gibt es Kühe?«, fragte Cordelia. »Wie sonderbar. Niemals hätte ich das erwartet. Das scheinen traurige Tiere zu sein.«
Tania hatte keine Ahnung, was sie darauf erwidern sollte. »Erzählt mir,
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