Die verlorene Koenigin
Euer Gnaden.«
Titanias Augen wurden schmal. »Ich verstehe«, erwiderte sie. »Kommt herein, denn hinter geschlossenen Türen können wir freier sprechen. Es gibt sicher vieles, das ich wissen sollte.«
Das Wohnzimmer von Lilith Mariner war geräumig und makellos, wirkte dabei aber seltsam unpersönlich: weiße Wände, ein Parkettboden aus Edelholz. Die Möbel waren elegant und doch zweckmäßig. Es fehlte jeglicher Schmuck oder Tand, an den Wänden hing kein einziges Bild. Es gab keine Gegenstände, die Rückschlüsse auf den Charakter der Frau zuließen, die hier lebte.
Titania saß auf der Couch, Sancha und Cordelia nahmen neben ihr Platz und Zara kniete zu ihren Füßen. Tania saß ganz am Rand und hielt die Hand ihrer Mutter. Ihnen gegenüber hockte Edric auf der Kante eines Sessels.
Tania konnte es kaum ertragen, Titania anzusehen, während die Prinzessinnen der Mutter berichteten, was in den letzten Wochen geschehen war.
Als sie von Rathinas Verrat hörte, schloss Titania bekümmert die Augen. Eine einzelne Träne lief ihr über die Wange. »Das arme Kind«, flüsterte sie. »Das arme, verwirrte Kind.«
»Hab kein Mitgefühl mit ihr, Mutter!«, rief Cordelia. »Sie hat uns aus freien Stücken verraten. Ich werde ihr niemals vergeben, niemals.«
»Ach, Cordelia«, sagte Titania traurig. »Rathina ist meine Tochter. Ich liebe sie noch immer, auch wenn ich furchtbar finde, was sie getan hat.«
»Es mag sein, dass Mütter ihre Kinder immer lieben, auch wenn diese zu Dämonen werden«, warf Sancha ein. »Aber Rathinas Taten haben großes Unheil über uns alle gebracht. Beide Welten sind nun in großer Gefahr. Der große Verräter Drake hat die Grauen Ritter in die Welt der Sterblichen geschickt, um uns zu töten.«
Titania sah Edric an. »Die Machtgier hat euren früheren Herrn wohl überwältigt«, sagte sie. »Ich freue mich, dass Ihr Euch von ihm losgesagt habt.«
»Ja, Euer Gnaden«, erwiderte Edric. »Ich tat es für Prinzessin Tania.«
»Und um der Liebe willen, die zwischen Euch gewachsen ist«, fügte Titania hinzu. Sie drückte Tanias Hand. »Darüber könnt ihr mir später mehr erzählen, aber zuerst müssen wir entscheiden, was wir als Nächstes unternehmen wollen.«
»Kannst du uns zurück ins Elfenreich bringen?«, fragte Zara. »Wir haben so gehofft, dass du weißt, wie man die eiserne Hülle durchbricht, die Lyonesse zwischen die Welten gelegt hat.«
Titania schüttelte den Kopf. »Über solcherlei Fähigkeiten verfüge ich leider nicht«, erwiderte sie. »Ich kann Tania nicht helfen. Sie allein muss herausfinden, wie sie mit ihrer Gabe den Zauber des Hexenkönigs brechen kann.«
Tania spürte alle Hoffnung schwinden, während Titania ihre Töchter sanft beiseiteschob und aufstand. Die Königin trat zum Fenster und blickte in die hereinbrechende Nacht hinaus.
»Ich wollte hier wohnen, weil ich aus diesem Fenster den Palast von Hampton Court sehen kann«, sagte sie und zeigte in dessen Richtung. »Selbst jenseits des Bushy Park kann man die Türme und Dächer erkennen.« Sie seufzte. »Ich fürchtete, dass ich nach fünfhundert Jahren in der Welt der Sterblichen anfangen würde, mein wahres Zuhause zu vergesse n … und vielleicht auch, wer ich wirklich bin.«
»Hättest du nicht in einen Wasserspiegel blicken können, um alles aus der Ferne zu beobachten?«, fragte Sancha. »Hast du deine Gabe verloren?«
Tania fiel ein, dass Sancha einmal erwähnt hatte, Titania könne weit entfernte Dinge sehen, indem sie in klares, ruhiges Wasser blickte.
Titania lächelte traurig. »In dieser Welt ist das Wasser nicht sauber genug, als dass ich ein Bild darin erkennen könnte«, entgegnete sie.
»Das glaube ich sofort«, meinte Cordelia. »Wie hast du es nur so lange an diesem furchtbaren Ort ausgehalten, Mutter? Wir weilen erst seit ein paar Stunden hier und sind doch schon von Schrecken und Abscheu erfüllt.«
»Was ist mit Isenmort?«, erkundigte sich Zara. »Wir tragen immer einen schwarzen Bernstein bei uns. Wie hast du dich vor dem tödlichen Metall geschützt?«
Titania öffnete den Kragen ihrer Bluse und zog eine Kette heraus, an deren Ende ein Anhänger baumelte. Sie hielt ihn hoch, sodass alle ihn sehen konnten. Es war ein Ring aus weißem, funkelnden Kristall, in den ein schwarzer Bernstein eingesetzt war.
»Euer Vater hat mir diesen Ring in der Hochzeitsnacht geschenkt, als Zeichen seiner unvergänglichen Liebe«, erzählte sie. »Erinnert ihr euch nicht an ihn?«
»Doch,
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