Die verlorene Koenigin
natürlich«, meinte Sancha. »Der Ring der Treue aus Tasha-Dhul.«
»Der Bernsteinring hat mich vor Isenmort geschützt«, erzählte Titania. »Meine Heilkunst und mein Wissen über Kräuter haben mich vor den schlimmsten Krankheiten bewahrt. Ich hatte glücklicherweise nie eine lebensgefährliche Verletzung.« Sie blickte gedankenverloren in die Ferne. »Im Jahr 1665 jedoch schwebte ich in größter Gefahr, denn der Schwarze Tod suchte London heim. Damals wurde etwa ein Drittel der Bevölkerung dahingerafft, aber ich konnte ja nicht einfach davonlaufen und mich verstecken. Ich hatte genug medizinisches Wissen, um einigen Menschen zu helfen. Und ich selbst wurde von der Pest verschont.«
»Wie konntest du all die Jahre deine wahre Identität verbergen?«, fragte Sancha.
»Das war nicht leicht«, entgegnete Titania. »Jeweils nach ein paar Jahren begannen die Menschen in meinem Umfeld sich zu wundern, dass ich nicht zu altern schien. Mit der Zeit wurden sie argwöhnisch und ich musste verschwinden. Dann tauchte ich in einem anderen Teil Londons unter einem neuen Namen auf und arbeitete in einer anderen Branche. Früher war es hart, immer wieder neu anfangen zu müssen, ein Leben aufzubauen und dann weiterzuziehen. Ich fühlte mich, als wäre ich immer auf Reisen.« Sie lächelte. »Aber heutzutage ist es leichter. Ich bin jetzt seit beinahe dreißig Jahren Lilith Mariner und ich werde lediglich nach dem Namen meines Schönheitschirurgen gefragt.«
»Aber warum lebst du ausgerechnet an diesem furchtbaren Ort?«, wollte Cordelia wissen. »Wenn ich in dieser Welt feststecken würde, würde ich mir ein Fleckchen Wildnis suchen, weit weg vom Getöse der Sterblichen.«
Titania kehrte vom Fenster zurück. »Ich wollte in der Nähe deiner Schwester sein«, antwortete sie und ergriff wieder Tanias Hand. »Es dauerte ewig, sie aufzuspüren. Zwei Jahre lang habe ich die ganze Stadt durchkämmt, um sie zu finden. Eines Tages schließlich habe ich sie gefunden. Tania war im Körper eines kranken Kindes gefangen, doch ich konnte ihre Elfenseele spüren. Ich war so froh, sie wieder in meiner Nähe zu wissen!«
Tania starrte sie an. »Hieß das Mädchen Ann Burbage?«
Sie dachte an ihr Déjà-vu im Globe Theater, als sie sich plötzlich in der elisabethanischen Zeit wiedergefunden hatte. Vor fünfhundert Jahren war sie »Ann« gerufen worden und ihr Vater war Richard Burbage gewesen. War sie das kranke Kind gewesen, das Titania meinte?
»Woher weißt du das?«, fragte Titania stirnrunzelnd. »Ich hätte nicht gedacht, dass du dich an deine früheren Leben erinnern kannst.«
»Das kann ich auch nicht«, erklärte Tania. »Seit einiger Zeit habe ich immer mal wieder ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich war Ann Burbage, ein kleines Mädchen namens Gracie und auch Flora Llewellyn, deren Vater Ernest ein viktorianischer Erfinder war.«
Titania nickte. »Ja, an all diese Kinder kann ich mich erinnern«, sagte sie. »Und ich weiß auch, wer du warst, direkt bevor du Anita Palmer wurdest. Dein Name war Barbara und du wurdest vor siebenundzwanzig Jahren in Dulwich geboren.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber mit elf bist du auf dem Heimweg von der Schule von einem Auto überfahren worden.« Trauer schwang in ihrer Stimme mit. »Ich habe davon in der Lokalzeitung gelesen. Es hat achtzehn Monate gedauert, ehe ich dich wiedergefunden habe. Diesmal als Baby namens Anita Palmer. Im Elfenreich zeigen sich die Gaben der Prinzen und Prinzessinnen im sechzehnten Lebensjahr. Ich war mir sicher, dass deine Elfenseele im gleichen Alter erwachen würde. Nur hattest du bisher noch nie sechzehn Jahre in einem sterblichen Körper überlebt, du bist immer als Kind gestorben.«
»Und deshalb hat Eure Majestät Tania das Seelenbuch geschickt«, meinte Edric.
»So ist es«, sagte Titania. »Ich wurde immer aufgeregter, je näher Anitas sechzehnter Geburtstag rückte. Allerdings war ich beruflich so eingespannt, dass ich wenig Zeit hatte, sie zu beobachten.« Sie bedachte Edric mit einem eigenartigen Blick. »Sonst wäre mir nicht entgangen, dass Lord Drakes Diener als Sterblicher verkleidet in London aufgetaucht ist.« Sie wandte sich an Tania. »Das Buch sollte genau an deinem Geburtstag ankommen und ich hatte vor, mit dir zu sprechen, nachdem du es gelesen hattest.«
»Und das hast du auch versucht«, erinnerte sich Tania. »Aber da war ich schon weg.«
»Als ich erfuhr, dass du spurlos verschwunden warst, befürchtete ich das Schlimmste.« Sie
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