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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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es gab keine Krankheiten. Am 24. Juli bezog man bei Peterhof ein Lager, das sich die Soldaten richtig gemütlich einrichteten:
    »Unsere Zeit wird fleißig zum Exerzieren benutzt, auch arbeiten wir viel an unserem Lager, um es so wohnlich wie möglich einzurichten. Ursprünglich lagen wir auf einem schrecklichen Sturzacker, der aber jetzt völlig eingeebnet ist und sogar zum Teil mit Gartenanlagen versehen wird, allerdings nur für unsere bescheidenen Ansprüche berechnet. Zum Geburtstage unseres Königs hatten wir besondere Anstalten gemacht, um das Lager recht festlich herzurichten. Durch die Gassen ziehen sich seitdem lauter gerade Alleen, zwischen den Bäumen stehen in regelmäßigen Abständen unsere Hütten. In den Intervallen sind Rondele von Rasenbänken angelegt oder Lauben, Grotten, Pyramiden mit Inschriften usw. gebaut; kurz, es ist jetzt ganz hübsch hier bei uns. Am 3. August morgens hatten wir zuerst Gottesdienst im Lager, welchem der kommandierende General mit dem ganzen Stabe beiwohnte, darauf traten sämtliche Truppen unters Gewehr, und während des Präsentierens erscholl ein dreimaliges Vivat; von Artillerie-Salven begleitet.
    Nach dem Parademarsch rückten wir wieder in unsere Zelte, und nun begann das Fest, welches noch bis spät in die Nacht fortdauerte und wobei sich unsere Leute durch Ordnung und Mäßigkeit auszeichneten. Wir Offiziere hatten so gut als möglich ein anständiges Diner arrangiert, uns einen großen Tempel aus hohen Bäumen bauen lassen, mit Festons (Girlanden) aus Eichenlaub und Blumen-Girlanden verziert, in dem wir sehr vergnügt und fröhlich aßen und nachher sogar tanzten. Abends war das ganze Lager illuminiert, vor der Front große Feuer, in Kreis- und Schlangenform angezündet, was sehr hübsch aussah. So hatten wir auch inmitten desKrieges einen frohen Tag, der uns allen unvergeßlich bleiben wird.«
    So viel Idylle war dem 2. und 6. Armeekorps nicht beschieden. Beide standen längs der Düna; ihnen gegenüber befand sich mit General Graf Wittgenstein (1. Korps der 1. West-Armee) einer der besten Heerführer der russischen Armee mit 60 000 Soldaten. Sein Widerpart war Marschall Oudinot, ein Draufgänger ohne Feldherrntalent, der Anfang August zwei Schlachten gegen Wittgenstein hintereinander verlor und zweifellos die gesamte Düna-Linie nicht gehalten hätte, wäre nicht für die Grande Armée der Glücksfall eingetreten, daß Oudinot in der Schlacht von Polozk am 17. August einen Schuß in den Arm erhielt, so daß er den Oberbefehl an General Gouvion Saint-Cyr abgeben mußte, der augenblicklich die sich schon abzeichnende Niederlage in einen glänzenden Sieg über Wittgenstein verwandelte. Von nun an führte Gouvion Saint-Cyr, der für seinen Sieg von Napoleon zum Marschall von Frankreich ernannt worden war, das Kommando über das 2. und 6. Armeekorps, während Oudinot für die nächsten zwei Monate ausfiel.
    So wie die anderen Teile der Grande Armée hatten auch die im 6. Korps zusammengeschlossenen Bayern im August schwere Ausfälle durch Ruhr und Typhus, was zum Teil neben der schlechten Wasserqualität auch auf die miserable Ernährung zurückzuführen war, die sich erst in der zweiten Septemberhälfte verbesserte. Der bayerische Hauptmann August von Thurn und Taxis war erschüttert: »Das Hospital in Polozk füllte sich täglich mehr, die nötigen Medikamente konnten noch dazu nicht aufgetrieben werden, und wir verloren (es klingt schrecklich, und ich kann nur mit Wehmut daran zurückdenken, aber es ist die reine Wahrheit) täglich zwischen 40 und 50 Mann durch diese fürchterliche Krankheit.« Ein aus München geschickter Wagen mit Medikamenten traf erst am 7. Oktober ein, zu spät.
    Der aus Nürnberg stammende bayerische Feldwebel JosephSchrafel vom Infanterie-Regiment Nr. 5 »Preysing« (6. Armeekorps, 20. Division, 3. Brigade) ließ sich von seiner Frau in den Krieg begleiten. Das war so selten nicht; die Ehefrauen arbeiteten als Marketenderinnen und machten sich vielfältig nützlich; Walpurga Schrafel führte einen von zwei Pferden gezogenen Packwagen mit sich, in dem sie auch zuweilen Kranke des Regiments transportierte. Im September hatte es ihrem Mann das Leben gerettet, daß sie ihn begleitete: »Die schrecklichen Leibschmerzen und die Diarrhöe ließen nicht nach. Ich wurde schwach wie ein Kind und mußte ganz so behandelt und gepflegt werden. Meine Frau erwartete in unsäglicher Angst jeden Augenblick mein Ende. Aber die Vorsehung hatte es anders

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