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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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Einzig die in Richtung Smolensk marschierende Hauptarmee unter dem persönlichen Kommando Napoleons ließ sich nicht aufhalten.
    In den ersten beiden Wochen bekamen die Soldaten der Grande Armée ihren Gegner nur selten zu sehen. Alle Versuche, die sich in vorbildlicher Ordnung zurückziehenden Russen zum Kampf zu stellen, blieben vergeblich; dafür marschierte sich die Grande Armée schier zu Tode, denn sie hatte neben der desolaten Versorgungslage nun auch noch mit den Widrigkeiten extremer klimatischer Verhältnisse zu kämpfen. Das wechselnde Wetter strapazierte die täglich bis zu 12 Stunden marschierenden Soldaten unsäglich. Bis zum Überschreiten der Grenze war trockenes und zuweilen sehr heißes Sommerwetter gewesen. Der erste Regen fiel am 24. Juni, am Tag der Überquerung des Njemen, und hielt bis zum 4. Juli an. Diese Angabe gilt für die Hauptarmee, denn selbstverständlich war das Wetter an der Düna oder im Raum zwischen Grodno und Brest-Litowsk nicht unbedingt gleich. Es war für einen Sommer ungewöhnlich kalt, die Nächte fasteisig, und in heftigen Schauern regnete es nahezu ununterbrochen, so dass die Soldaten aus ihren nassen Uniformen nicht herauskamen. Selten fanden sie eine trockene Unterkunft. Und sie hungerten. Selbst die verwöhnte französische Garde hatte zu leiden. »Wir marschierten auf Wilna. Es herrschte eine stickende Hitze. Matt zogen die unabsehbaren Heereskolonnen auf der staubigen Straße dahin. So weit das Auge reichte – trostlose Einöde, nur hie und da unterbrochen durch erbärmliche, von den Russen verwüstete Dörfer«, berichtet Sergeant Jean-Roch Coignet: »Am dritten Tag, gegen Abend, kam ein schreckliches Gewitter mit Sturm, strömendem Regen und Hagel. Die Hitze des Tages verwandelte sich in eisige Kälte. Das Fuhrwerk war in dem Unwetter kaum mehr vorwärts zu bringen. Die Pferde wurden widerspenstig. Mit Mühe und Not erreichten wir zur Nacht noch ein Dorf. Das niedergebrannte Nest gewährte uns aber auch keinen Schutz. Wir konnten die armen Gäule nur absträngen und an die Räder binden und hatten für sie kein anderes Futter als das nasse Gras. Die vor Kälte klappernden, völlig durchweichten Leute suchten irgendeinen Unterschlupf. Ich und einige meiner Trainsoldaten krochen in die Gepäckwagen. Da hatten wir doch wenigstens ein Dach über dem Kopf.
    Als wir am andern Morgen halb erstarrt und wie gebrochen an allen Gliedern unsern Wagen entstiegen, lagen drei unserer Pferde mit dick aufgetriebenen Leibern tot am Boden. Die Folge des nassen Grases! Die andern waren ganz wild vor Schmerzen und sprangen wie toll hin und her. Ich ließ sie sogleich anschirren, wozu wir wahrhaftig unsern ganzen Mut nötig hatten. Eine Stunde später wären sie gleichfalls tot gewesen, aber so brachte ich sie noch rechtzeitig in Bewegung und erhielt sie am Leben.
    Unser Weg führte an dem Platz vorbei, wo die Kavallerie gelagert hatte. Das ganze Feld war übersät mit toten Pferden. Gegen 10 000 waren zugrunde gegangen. Und: auch viele tote Soldaten fanden wir, die das fürchterliche Unwetter nichthatten aushalten können. Das wirkte auf die Armee sehr demoralisierend.«
    Leutnant Heinrich von Brandt erlebte Ähnliches zwischen Kowno und Wilna: »Ringsum war alles geplündert und verwüstet, die Dörfer, an denen wir vorüberzogen, waren zerstört. (…) Die Leute der Jungen Garde, hinter der wir marschierten, blieben haufenweise an der Straße liegen. Unsere Leute ertrugen die Beschwerden des Marsches vortrefflich. Mit Brot und Fleisch waren wir versehen, Schnaps, der unter diesen Verhältnissen ein Bedürfnis war, fehlte jedoch gänzlich. Der Regen strömte unaufhörlich eiskalt vom Himmel. Die Straße war mit Kadavern toter Pferde wie besät. (…) Auf diesem Marsche sah ich die ersten Toten in dieser Kampagne, in der wir bis jetzt nur hin und wieder, und zwar in größter Entfernung, einige Kanonenschüsse gehört hatten. Es waren zwei Soldaten der Jungen Garde, die wahrscheinlich betrunken umgefallen und im tiefen Kot umgekommen waren!«
    Auch der Infanterist Jakob Walter war zwei Tage und zwei Nächte nicht aus seiner völlig durchweichten Uniform herausgekommen. Immerhin gelang es ihm, sich aus Stangen und Stroh eine Hütte zu errichten: »Allein um Feuerholz zu holen, reichten die Kräfte nicht mehr, ich legte mich mit meinem Hunger und Nässe in das Zelt, die eindringenden Kameraden aber, die sich auf mich legten, dienten mir zur warmen Decke.« Die Wege waren so ungangbar

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