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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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durch eins mit dem Namen Nachtwind und führten einen Teil der Geschichte auf, die er ihnen erzählt hatte – ein Sketch, den sie seit Wochen heimlich einstudiert hatten. Nachdem die Schauspieler sich zum wiederholten Mal verbeugt hatten, hielt Dr. Tomalin eine kleine Ansprache und bat Vivien und Jimmy, sich ebenfalls vor dem Publikum zu verbeugen. Jimmy ließ den Blick über das Publikum wandern, bis er Dolly entdeckte. Sie winkte, und er lächelte und zwinkerte ihr zu.
    Er war sich anfangs unsicher gewesen, ob es richtig war, sie mitzunehmen, aber im Nachhinein fragte er sich, wieso er eigentlich Vorbehalte gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte er ein schlechtes Gewissen gehabt wegen seiner Freundschaft mit Vivien und befürchtet, es könnte zu Feindseligkeiten zwischen den beiden kommen. Aber als klar wurde, dass Dolly es sich nicht würde ausreden lassen, hatte er sich auf Schadensbegrenzung verlegt. Anstatt ihr zu erzählen, wie sehr er sich mit Vivien angefreundet hatte, hatte er behauptet, er hätte sie zusammengestaucht, weil sie Dolly an dem Tag, als diese ihr das Medaillon zurückbrachte, so schlecht behandelt hatte.
    »Du hast ihr von mir erzählt?«
    »Na klar«, sagte Jimmy und nahm Dollys Hand, als sie das Restaurant verließen und in die Dunkelheit gingen. »Du bist doch meine Freundin.«
    »Und was hat sie gesagt? Hat sie es zugegeben? Hat sie dir erzählt, wie gemein sie war?«
    »Ja.« Jimmy blieb stehen und wartete, während Dolly sich eine Zigarette anzündete. »Es tut ihr furchtbar leid. Sie meinte, sie habe an dem Tag irgendwas Schlimmes erlebt, aber das sei keine Entschuldigung für ihr Benehmen.«
    Im Mondlicht sah er, wie Dollys Unterlippe zitterte. »Es war schrecklich, Jimmy«, flüsterte sie. »Was sie gesagt hat. Wie sie mich behandelt hat …«
    Er schob ihr das Haar hinters Ohr. »Sie wollte sich bei dir entschuldigen, und anscheinend hat sie es sogar versucht, aber als sie bei Lady Gwendolyn angeklopft hat, war keiner da.«
    »Sie wollte zu mir ?«
    Jimmy nickte. Er sah, dass ihre Züge wieder weicher geworden waren. Einfach so. Die ganze Verbitterung war verschwunden. Die Verwandlung war atemberaubend, aber eigentlich hätte er sich nicht zu wundern brauchen. Dollys Gefühle waren wie bunte Papierdrachen am Himmel: Wenn einer im Sturzflug zu Boden ging, wurde schon der nächste vom Wind emporgehoben.
    Nachher waren sie noch tanzen gegangen, und zum ersten Mal seit Wochen, ohne den verdammten Plan im Hinterkopf, hatten sie sich richtig gut amüsiert, so wie früher. Sie hatten miteinander gelacht und gescherzt, und als er sie zum Abschied geküsst hatte und aus Mrs. Whites Fenster geklettert war, hatte Jimmy gedacht, dass es doch keine schlechte Idee wäre, wenn Dolly sich die Theateraufführung ansehen würde.
    Und er hatte recht behalten. Nach anfänglicher Befangenheit war der Tag besser verlaufen, als er es sich hätte träumen lassen. Als sie eintrafen, war Vivien gerade dabei, das Segel zu hissen. Er hatte ihr die Überraschung angesehen, als sie sich umdrehte und ihn mit Dolly in der Tür stehen sah, wie ihr beinahe das Lächeln erstorben wäre. Da hatte er Schlimmes befürchtet. Sie war vorsichtig von dem Schiff heruntergeklettert, während Jimmy Dollys weißen Pelzmantel aufhängte, und als die beiden Frauen einander begrüßten, hatte er den Atem angehalten. Aber es war gut gegangen. Es hatte ihn mit Stolz erfüllt, wie Dolly die Situation meisterte. Sie hatte sich einen Ruck gegeben, die Vergangenheit hinter sich gelassen und Vivien freundlich begrüßt. Vivien war anzusehen gewesen, dass auch sie erleichtert war, auch wenn sie zurückhaltender war als gewöhnlich. Als er sie fragte, ob Henry auch kommen würde, um sich die Vorstellung anzusehen, hatte sie ihn angeschaut, als hätte er sie beleidigt, und ihn dann daran erinnert, dass ihr Mann ein wichtiges Amt in einem Ministerium bekleidete.
    Gott sei Dank war Dolly da, die schon immer ein Händchen dafür gehabt hatte, die Stimmung aufzuheitern. »Komm, Jimmy«, hatte sie gesagt und sich bei Vivien untergehakt, während die Kinder nach und nach eingetroffen waren. »Mach doch ein Foto von uns beiden, ja? Als Andenken an diesen Tag.«
    Zuerst hatte Vivien sich gesträubt und gesagt, sie möge es nicht, fotografiert zu werden, aber Dolly wünschte es sich so sehr, und Jimmy wollte ihr gern den Gefallen tun, jetzt wo sie so tapfer über ihren Schatten gesprungen war. »Ich verspreche Ihnen, es tut nicht weh«, hatte er

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