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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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hinweg.
    »Ich …« Ihre Gedanken rasten. Er war früher als gewöhnlich nach Hause gekommen. Er erwartete von ihr, dass sie ihn an der Tür begrüßte, wenn er aus dem Ministerium kam, ihm seinen Whisky reichte und sich erkundigte, wie sein Tag verlaufen war. »Das Wetter ist so schön heute. Da konnte ich nicht widerstehen.«
    »Bist du durch den Park gegangen?«
    »Ja.« Sie lächelte und unterdrückte ihren Fluchtinstinkt. »Die Tulpen blühen schon.«
    »Ach ja?«
    »Ja.«
    Er vertiefte sich wieder in die Akte, und Vivien atmete auf. Sie blieb, wo sie war, aber nur eine Sekunde, nur zur Sicherheit. Jetzt bloß nicht zu schnell bewegen. Bedachtsam legte sie ihren Hut auf die Ablage, nahm ihr Halstuch ab und ging so ruhig wie möglich weg.
    »Hast du dich mit irgendwelchen Freunden getroffen?« Henrys Stimme hielt sie auf, als sie die Treppe erreichte.
    Sie drehte sich langsam um. Er lehnte lässig im Türrahmen und glättete seinen Schnurrbart. Er hatte getrunken. Etwas an seiner Körperhaltung, eine Lockerheit, die ihr vertraut war, jagte ihr Angst ein. Andere Frauen, das wusste Vivien, fanden Henry attraktiv, seinen düsteren, beinahe verächtlichen Gesichtsausdruck, seinen durchdringenden Blick; aber sie nicht. Sie hatte ihn nie attraktiv gefunden. Nicht einmal an dem Abend, als sie sich kennengelernt hatten, als sie sich am Ufer des Sees in Nordstrom allein geglaubt und ihn plötzlich entdeckt hatte, wie er an das Badehaus gelehnt dagestanden und sie beobachtet hatte, während er eine Zigarette rauchte. In seinen Augen hatte etwas gelegen, Begierde natürlich, aber auch noch etwas anderes. Es hatte ihr einen Schauder über den Rücken gejagt. Jetzt sah sie es wieder in seinen Augen.
    »Nein, Henry«, sagte sie so leichthin wie möglich, »natürlich nicht. Du weißt doch, dass ich keine Zeit für Freunde habe, bei all der Arbeit in der Kantine.«
    Im Haus war es still, nichts regte sich. Keine Köchin, die Teig ausrollte für eine Pastete, die sie zum Abendessen servieren würde, kein Dienstmädchen, das mit dem Staubsaugerkabel kämpfte. Sarah fehlte ihr. Die Ärmste hatte vor Scham geweint, als Vivien sie und Henry an jenem Nachmittag zusammen erwischt hatte. Henry war außer sich gewesen, er fühlte sich um sein Vergnügen betrogen und in seiner Ehre gekränkt. Er hatte Sarah für ihre Gefügigkeit bestraft, indem er sie kurzerhand entlassen hatte.
    Und jetzt waren sie allein. Henry und Vivien Jenkins, ein Mann und seine Frau. Henry war einer meiner intelligentesten Schüler , hatte ihr Onkel gesagt, als er ihr unterbreitet hatte, wor über die beiden Männer in seinem verrauchten Arbeitszimmer gesprochen hatten. Er ist ein ehrenwerter Gentleman. Du kannst dich glücklich schätzen, dass er an dir interessiert ist .
    »Ich glaube, ich gehe nach oben und lege mich ein bisschen hin«, sagte Vivien nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit erschienen war.
    »Müde, mein Liebling?«
    »Ja.« Vivien versuchte zu lächeln. »Die Bombenangriffe. Ich glaube, ganz London ist müde.«
    »Ja.« Er näherte sich ihr mit einem Lächeln auf den Lippen, das seine Augen nicht erreichte. »Das glaube ich auch.«
    Henrys Faust traf ihr linkes Ohr, und der Schmerz war betäubend. Die Wucht des Schlags warf sie mit dem Gesicht gegen die Wand, und sie fiel zu Boden. Und dann war er über ihr, zerrte an ihrem Kleid und schüttelte sie, sein attraktives Gesicht wutverzerrt, während er auf sie einschlug. Er brüllte sie an, Speicheltröpfchen landeten auf ihrem Gesicht, auf ihrem Hals, seine Augen funkelten vor Zorn, während er immer wieder schrie, sie gehöre ihm, sie werde ihm immer gehören, sie sei seine Trophäe, und er werde es niemals zulassen, dass ein anderer Mann sie anfasste, eher werde er sie umbringen, als sie gehen zu lassen.
    Vivien schloss die Augen. Sie wusste, dass es ihn noch wütender machte, wenn sie sich weigerte, ihn anzusehen. Und wie erwartet schüttelte er sie noch heftiger, packte sie am Hals und brüllte ihr ins Ohr.
    Irgendwo ganz hinten in ihrem Kopf suchte Vivien nach dem Bach, nach den glitzernden Lichtern …
    Sie wehrte sich nie, selbst dann nicht, wenn sie die Fäuste ballte und das verborgene Wesen von Vivien Longmeyer, das sie vor so langer Zeit tief in ihrem Innern weggeschlossen hatte, sich zu befreien versuchte. Ihr Onkel mochte den Handel in seinem Arbeitszimmer besiegelt haben, aber Vivien hatte ihre eigenen Gründe für ihre Nachgiebigkeit. Katy hatte alles versucht, sie zum

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