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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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gab nur einen schrillen, verängstigten Ton von sich wie eine Maus, die die Katze entdeckt, die bereits zum Sprung angesetzt hat.
    »Gehorsam.« Er zog das Wort in die Länge und betonte jede einzelne Silbe. »Du wirst mir in allem gehorchen. Ohne zu zögern, wirst du alles tun, was ich von dir verlange, oder ich werde dich so stehen lassen, wie du jetzt dastehst – gequält und voller Schmerz, bis du verfaulst. Das dauert gewöhnlich etwa drei Wochen, wie ich aus Erfahrung weiß.« Mit einer eleganten Geste seiner gepflegten Hand wies er auf einen Haufen weißer Knochen, die sich in einer dunklen Ecke hinter eine Basaltstatue des Teufels befanden.
    Morgans Herz pochte schneller. Kam schmerzhaft aus dem Rhythmus. Fand ihn wieder.
    Dominus trat näher. »Aber ich habe nicht vor, es so weit kommen zu lassen.« Seine Stimme klang zärtlich und liebevoll, und seine Augen wurden auf einmal weich. Mit einem Finger berührte er ihre Unterlippe. »Ich habe andere Pläne für dich. Für uns. Wenn du mir versprichst, dich zu benehmen, werde ich dich befreien, und wir können noch einmal neu anfangen.«
    »Und was verlangen Sie dafür?«, flüsterte Morgan stockend. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und liefen in kalten Rinnsalen ihren Nacken hinab. »Wenn ich zustimme zu … zu gehorchen … Was geben Sie mir dafür?«
    Zuerst sah er wütend aus. Seine Augen blitzten auf, und sein schöner Mund verzog sich zu einer harten, schmalen Linie. Er ließ die Hand sinken, mit der er gerade noch ihr Gesicht gestreichelt hatte, und ballte sie zu einer Faust. Morgan bereitete sich innerlich bereits darauf vor, einen Schlag zu erhalten. Doch dann zeigte sich auf seinem Gesicht ein anderes Gefühl. Einen Moment lang sah er jünger, ja, beinahe wehmütig aus.
    »Willst du mit mir etwa verhandeln?«
    Er klang belustigt, erstaunt, aber vor allem fasziniert.
    »Ich würde vor allem gerne nicht verfaulen«, erklärte Morgan schwach. »Aber ich werde es, wenn ich stattdessen meinen freien Willen opfern muss. Ich sterbe lieber aufrecht stehend, als auf Knien zu leben, was Sie wissen sollten, wenn Sie mich wirklich kennen würden.« Sie befeuchtete ihre Lippen. »Und da Sie es nicht tun, hege ich die Vermutung, dass Sie hier nur Scheiße von sich geben.«
    Fassungslos holte Dominus scharf Luft. Ihm klappte der Mund auf, und seine kohlschwarzen, funkelnden Augen wurden riesengroß. Er starrte sie stumm an, während die Kerzen in dem plötzlich noch kälter gewordenen Raum flackerten und das Blut in Morgans Adern laut rauschte.
    »Noch nie hat es jemand gewagt, so mit mir zu sprechen«, zischte er, ohne zu blinzeln. Sein Nacken färbte sich rot, und einen schrecklichen, atemlosen Augenblick lang tat er nichts.
    Dann begann er zu ihrer großen Verblüffung zu lachen.
    Das Lachen hallte in dem riesigen Zimmer wie ein lebendiges Wesen wider. Es prallte von den Wänden ab und teilte sich in hundert verschiedene Echos, jedes noch düsterer und bösartiger als das vorherige. Dominus setzte sich wieder auf den Samtdivan und überließ sich seinem Lachen. Er warf den Kopf zurück, schloss die Augen und zeigte seine weißen, blitzenden Zähne. Einen Moment später brach er abrupt ab, sammelte sich und betrachtete Morgan, während er mit einem Finger über seine vollen, lächelnden Lippen strich.
    »Du machst mir Spaß«, stellte er überrascht fest. »Als ich dich ausgewählt hatte, hatte ich ja keine Ahnung, wie amüsant du sein würdest.« Mit einem kleinen Schnippen seiner Finger befreite er sie aus seiner Kontrolle. Augenblicklich hörten die Schmerzen auf.
    Morgan sackte in sich zusammen und rang nach Luft. In ihr stieg eine saure, warme Übelkeit auf. Ihr Gehirn schien ebenso wenig zu funktionieren wie ihr Körper. Sie musste nachdenken! »Mich … mich ausgewählt?«, brachte sie schließlich mühsam hervor.
    »Um in die anderen Kolonien eindringen zu können«, erwiderte er nüchtern. »Meine Leute haben sie seit Jahren unter Beobachtung – jedenfalls die drei, von denen ich wusste. Sie haben nach einem schwachen Glied gesucht, nach jemandem, der nicht so ganz reinpasste, jemand Rebellischem. Jemand, der vielleicht ein wenig …« Er gestikulierte mit einer Hand, als ob er nach dem richtigen Wort suchen würde. »… der vielleicht ein wenig nach Rache dürstet.«
    Nach Rache.
    »Aber meine Leute konnten einfach keine Schwachstelle ausmachen. Bis sie dich fanden. Und du warst wahrhaftig mehr als reif.« Er lächelte. »So viel Einsamkeit. So

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