Die Verraeterin
verspüren, wenn vielleicht auch nicht ganz dieselbe Art Hunger wie sie. Dieser Gedanke ließ sie ziemlich nervös werden. »Ja. Mit unserem kleinen Auftrag hier.«
Er blinzelte. Sein Blick wanderte zu ihrem Gesicht zurück.
»Die Expurgari ausfindig machen«, fügte sie langsam hinzu, als er noch immer nicht antwortete.
Er zog eine seiner Augenbrauen hoch, und zu ihrer Überraschung zeigte sich auf seinem Mund ein Anflug des Lächelns. »Ach. Das. Ich dachte schon, Sie wollen anfangen, sich hämisch zu freuen, weil Sie mir entwischen konnten.«
Ihre Lippen zuckten. »Das habe ich schon zur Genüge gestern Abend getan, als ich …« … mir ein Tattoo stechen ließ , hätte sie beinahe hinzugefügt. Doch es gelang ihr gerade noch, sich zurückzuhalten. Ihre freie Hand wanderte zu der noch immer schmerzhaften Stelle an ihrer Hüfte, und Xanders Augen folgten aufmerksam der Bewegung. »… mir Rom angesehen habe«, beendete sie den Satz.
Sie starrten einander schweigend an. Draußen im roséfarbenen Licht des Sonnenaufgangs läuteten Kirchenglocken. Es war ein schöner, melancholischer Klang. Sonnenlicht strömte blass golden und glitzernd durch einen Spalt in den Seidenvorhängen, um sich auf dem Teppich zwischen ihnen zu sammeln. Der Punkt auf dem Boden leuchtete so hell, dass es in ihren Augen schmerzte.
»Werden Sie wieder weglaufen?« Seine Stimme klang seltsam höflich. Das ließ sie aufhorchen. Machte er sich vielleicht auf ihre Kosten lustig?
»Nur wenn Sie weiterhin so unhöfliche Nachrichten hinterlassen«, gab sie zurück und drehte sich dann um. Sie schritt vom Ende des Bettes in Richtung Badezimmer. Dort blieb sie unter der Tür stehen und warf einen Blick über ihre Schulter zu ihm zurück.
»Das werde ich nicht mehr«, erwiderte er ernst. »Versprochen.«
»Gut. Sehr gut.« Sie war sich noch immer nicht sicher, ob er sich über sie lustig machte, doch die Art und Weise, wie er sie anblickte, hatte nichts Spöttisches an sich. Seine Miene spiegelte vielmehr gleichzeitig eine gewisse Ernsthaftigkeit und eine leise Verwirrung wider, vermischt mit einer kaum merklichen Neugier. Und … Hunger.
Einen Moment lang flackerte Leidenschaft zwischen ihnen auf, gefährlich hell und flammend. Vor Überraschung ging sie einen Schritt weiter über die Schwelle ins Badezimmer. Der Marmorboden fühlte sich schockierend kalt unter ihren Füßen an.
»… äh, haben Sie etwas dagegen, wenn ich …« Sie wies auf die Dusche und bemühte sich krampfhaft, ihre Hand nicht zittern zu lassen.
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte er, senkte schnell den Kopf und drehte sich um. »Ich warte auf Sie.«
Genau das , dachte sie und drückte entschlossen die Badezimmertür zu, ist es, was mir Sorgen macht .
Als das Frühstück serviert wurde, hatte sich Morgan besser unter Kontrolle.
Das Café war altmodisch und sonnendurchflutet. Es befand sich genau gegenüber des Keats-Shelley-Hauses am Fußende der Spanischen Treppe und hatte einen ausgezeichneten Ausblick auf einen Terrassengarten mit wild wuchernden roten Azaleen, dem imposanten Renaissancebau der Kirche Trinità dei Monti und den Touristen, die wie zahllose zwitschernde Vögel auf der Piazza di Spagna vorbeizogen. Xander hatte das Café gewählt und sie mit einer Hand unter ihrem Ellenbogen den ganzen Weg von ihrem Hotel bis dorthin geleitet.
Jetzt saßen sie schweigend im Schatten eines weißen Sonnenschirms und musterten alles um sie herum. Nur einander würdigten sie keines Blickes.
Eine Kellnerin mit einer kleinen weißen Schürze brachte zwei Tassen Espresso und zog sich dann mit einer leichten Verbeugung wieder zurück.
»Also. Wie sieht Ihr Plan aus?« Xander nahm einen Schluck aus der winzigen Porzellantasse. In seiner großen Hand wirkte sie wie ein Kinderspielzeug, klein und leicht zerbrechlich.
»Ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht einen haben.«
Morgan rutschte auf ihrem Stuhl hin und her und lehnte sich dann gegen die gepolsterte Rückenlehne. Dann führte sie ihre Tasse an die Lippen. Sie schluckte und hatte das Gefühl, etwas Himmlisches zu schmecken: eine winzige Dosis Kaffee, der mit seiner cremigen Schaumhaube so fein, stark und süß war, dass er beinahe an ein Dessert erinnerte.
»Mein Gott, ist das gut«, sagte sie. Sie trank den Kaffee mit einem weiteren Schluck aus und seufzte zufrieden.
Xander neben ihr lächelte. »Gibt es in England denn keinen Espresso?«
»Tee«, sagte sie. »Ausgezeichneten Tee. Aber nichts im Vergleich mit
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