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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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wird mir bewusst, dass ich auch Zilla die Wahrheit nicht einfach entgegenschleudern kann.
    »Ich soll bald operiert werden«, ist das Erste, was mir in den Sinn kommt.
    »Tatsächlich?« Sie mustert mein Gesicht aufmerksam. »Was denkst du darüber?«
    Ich denke, es könnte ein Zeichen dafür sein, dass man mich nicht töten will. Oder es besagt das genaue Gegenteil. »Ich frage mich, was es für mein weiteres Leben bedeuten kann.« Das trifft die Wahrheit immerhin teilweise.
    »Ich bin noch nie operiert worden«, fahre ich fort. »Mir ist ein bisschen mulmig bei der Vorstellung. Weißt du von Eingriffen, bei denen Menschen gestorben sind?«
    Zillas Lächeln vertieft sich. Sie ist jetzt überzeugt, die Sorge, die mich zu ihr geführt hat, klar vor sich zu haben.
    »Mach dir keine Sorgen«, antwortet sie. »Unsere Ärzte sind ausgezeichnet, es passieren kaum Fehler. Wenn du mich fragst, kannst du dich ohne Bedenken auf den Operationstisch legen und auf dein neues Gesicht freuen.«
    Das war weder ein Ja noch ein Nein, aber vielleicht hätte ich damit auch nicht rechnen, sondern mich auf mein eigenes Wissen verlassen sollen. Die Ärzte an der Akademie versagen nicht einmal bei schweren Eingriffen und es wäre auffällig, wenn jemand in meinem Alter eine leichte OP nicht überlebt. Es würde dem Ruf des Medcenters schaden.
    Ich erinnere mich daran, dass vor wenigen Monaten ein Sentinel ins Medcenter eingeliefert wurde, durchbohrt von einer angespitzten Eisenstange, die einem Prim als Waffe gedient hatte. Wir hielten ihn für todgeweiht, die Stange verschwand in seinem Rücken und trat in der Nähe des Nabels wieder aus. Das nächste Mal sah ich den Mann drei Wochen später, blass und mager, aber auf zwei Beinen und unzweifelhaft am Leben.
    »Was glaubst du, wo ich in drei Jahren sein werde?«, will ich von Zilla wissen. Es ist eine Frage, die ich mir in letzter Zeit dauernd stelle. Die Antwort, die ich mir gebe, schmeckt wie Asche.
    »In einer der größeren Sphären, als Sprecherin einer hochrangigen Persönlichkeit«, erwidert Zilla, ohne zu zögern. »Ich bin sicher, die Mentoren haben deine Zukunftsmöglichkeiten schon genau entworfen. Du musst dich nur noch entscheiden.«
    Sie sagt das, als wüsste sie, wovon sie spricht. Als bestünde kein Zweifel an meinem Weg, an meiner Karriere. An meinem Überleben. Sie ist sehr überzeugend, aber natürlich weiß sie nicht, was Morus und Gorgias wissen.
    Trotzdem fühle ich mich besser, als ich mich von ihr verabschiede. Die Hoffnung hat wieder Oberhand gewonnen. Wir sind zu wertvoll, höre ich Aureljos Worte.
    Möglicherweise bekommen wir noch eine Chance. Dann werden alle sehen, dass wir keine Pläne gegen den Sphärenbund schmieden.
    Ich rechne zurück. Acht Tage ist es her, seit ich das Gespräch in der Bibliothek belauscht habe. Der Fremde hat betont, dass die Verschwörer bald getötet werden müssten. Schnell und ohne großes Aufheben darum zu machen.
    Bisher ist nichts passiert. Vielleicht darf ich die Hoffnung in meinem Innern ungestraft wachsen lassen.

12
    Es ist Ruhetag. Baja hat uns erzählt, dass man ihn früher Sonntag genannt hat, doch die Menschen, die während der Langen Nacht lebten, änderten den Namen, weil sie nicht an eine Sonne erinnert werden wollten, die sich ihnen nicht zeigte. Heute sehen wir sie immerhin ab und an, trotzdem hat der Tag seinen ursprünglichen Namen nicht zurückbekommen.
    Am Ruhetag können wir länger schlafen als sonst, was ich normalerweise in vollem Umfang ausnutze, doch in letzter Zeit ist mein Schlaf unruhig und voller düsterer Träume.
    Ich habe keine Lust, mich am heutigen Spiel zu beteiligen. Die ganze Sphäre nach einem bohnengroßen Stück Jade abzusuchen, scheint mir angesichts der Ungewissheit, die mich seit Tagen quält, ein völlig sinnloses Unterfangen. Außerdem bin ich nicht besonders gut darin – in den letzten fünf Jahren habe ich die Jade erst ein Mal gefunden. Die Woche Freizeit, die ich als Belohnung bekam, wurde mir erstaunlich lang und ich war froh, am darauffolgenden Montag wieder meine Lektionen an der Akademie aufnehmen zu können.
    Ich würde mich gern mit meinen Freunden im Café Agora unterhalten, doch ich habe jegliche Freude daran verloren, seit ich weiß, dass jedes Wort mitgehört wird. Also gebe ich den Sentineln am Eingang Bescheid, dass ich nicht gestört werden will, bleibe in meinem Quartier, esse, lese, beobachte die roten Wachen auf der Mauer und warte, bis es Zeit für die

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