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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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dem Anführer der Sentinel, die den Zug übernehmen wollten.« In möglichst kurzen Worten gebe ich wieder, was in der Bibliothek gesagt wurde. Je länger ich spreche, desto härter wird Flemings Blick.
    »Verstehe«, stößt er hervor. »Eine Verschwörung, hm? Das ist doch … abwegig. Ich würde so etwas nie unterstützen.«
    »Leiser!« Tomma regt sich im Schlaf. Ihr muss ich es auch noch beibringen. »Ich doch ebenso wenig. Und ich bin fest davon überzeugt, dass gar keine Verschwörung existiert. Damit bleiben zwei Möglichkeiten: Das alles muss ein schrecklicher Irrtum sein oder jemand will uns aus dem Weg haben.«
    Fleming legt die Hände an den Kopf, als hätte er ebenfalls Schmerzen. »Das darf doch alles nicht wahr sein.«
    »Nur aus Neugierde: Wenn du nichts von der angeblichen Verschwörung gewusst hast, warum hast du so bedrückt gewirkt, als du für die Reise ausgewählt wurdest? Auch während der Fahrt – ich dachte, du hättest ebensolche Angst wie ich.«
    Er sieht mich nachdenklich an. »Ich verlasse die Sphären nicht gerne. Meine Forschungsarbeit braucht ständige Aufmerksamkeit, ich habe einige Bakterienkulturen angesetzt, die jetzt wahrscheinlich –« Er unterbricht sich mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Auch wenn du es nicht verstehst, mir geht es nicht um die Reihung oder ein Händeschütteln mit dem Präsidenten. Ich will Krankheiten bekämpfen. Diese Reise ist … in gewisser Weise furchtbar für mich. Die Arbeit eines ganzen Jahres ist zunichtegemacht. Vielleicht.«
    Fleming wischt sich mit der Hand über sein Gesicht und steht auf. »Wir müssen zusehen, dass wir bald zurückkehren. Zuerst sollten wir herausfinden, wo sich die nächste Sphäre befindet. Dort werden wir unsere Situation darlegen und alles aufklären. Das wäre doch gelacht.«
    Kampfgeist und Lebenswille sind Brüder. Wir können Flemings neu gewonnene Energie gut gebrauchen, aber sein Plan wird nicht funktionieren.
    »Keine Sphäre. Sie würden uns besänftigen, in einen anderen Zug setzen und dann dort erledigen. Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Gorgias hat seine Einwilligung gegeben, Morus auch. Wer weiß, wer sonst noch alles. Wahrscheinlich sogar der Präsident.«
    Fleming schüttelt den Kopf und lächelt schief. Abwehrmechanismus. Er hat die neue Information noch nicht verdaut.
    »Du bist doch das Redetalent. Lege dir die richtigen Worte zurecht, mach ihnen klar, dass es keine Verschwörung gibt. Jedenfalls nicht mit uns.«
    Der Gedanke ist mir nicht neu, natürlich nicht. Aber alles, was ich vorbringen könnte, beruht auf heimlich Belauschtem. Das ist keine gute Basis, um einen Sphärenmeister zu überzeugen, der von der Angelegenheit keine Ahnung hat. Unser Schicksal wurde nicht öffentlich besiegelt, jeder normale Mensch wird dazu neigen, meine Worte als Hirngespinste abzutun. Und der Überfall auf die Magnetbahn? Dafür würde man sicherlich Erklärungen finden – und keine davon würde mordlüsterne Sentinel beinhalten.
    »Eine Sphäre zu betreten, wäre, wie in eine Falle zu gehen«, versuche ich ihm klarzumachen. »Solange wir nicht wissen, was man uns vorwirft, können wir nicht dagegen angehen.«
    Fleming will etwas einwenden, aber ich komme ihm zuvor. »Du hast die Waffen der Sentinel gesehen, nicht wahr? Fandest du sie nicht auch seltsam?«
    Er öffnet den Mund, schließt ihn wieder.
    »Normalerweise tragen sie Gewehre, meistens mit Visier. Die beiden, die uns töten wollten, hatten ein Pfeilschussgerät und eine Dornenkeule. Primitives Zeug.«
    Fleming hätte es auch begriffen, wenn ich das Wort nicht verwendet hätte. Trotzdem, ich mache es deutlich, deutlicher, am deutlichsten: »Es sind Waffen, wie man sie von den Außenbewohnern kennt. Sie wollten es aussehen lassen wie einen Überfall der Prims.«
    Er presst die Lippen aufeinander, zuckt mit den Schultern. »Vielleicht waren es Prims. In Uniformen getöteter Sentinel. Hast du dir das schon mal überlegt?«
    Nein, weil der Gedanke abwegig ist. Schon allein wegen des Anführers. Aber gut möglich, dass Fleming den farblosen Sentinel nicht durch unsere Sphäre hat laufen sehen, ihn nicht auf dem Podium bemerkt hat, während des Vortrags der Klimatologin.
    »Das ist völlig unmöglich, es war –«
    »Spielt ohnehin keine Rolle«, unterbricht mich Fleming. »Es bleibt uns nur eine einzige Möglichkeit, nämlich schnell eine Sphäre zu finden, die uns aufnimmt.« Mit einer resignierten Handbewegung deutet er auf die vier Schlafenden, die

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