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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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wieder und wieder. Meine Arme beginnen als Erstes zu schmerzen und auch das quälende Hämmern in meinem Kopf setzt wieder ein, aber wenigstens ist mir nicht kalt.
    »Es tut mir so leid«, murmelt Tomma. »Wirklich. Ich wollte das nicht.«
    Ich würde gern antworten, aber ich brauche jedes bisschen Luft. Also nicke ich nur.
    »Danke. Ich werde nie wieder so dumm sein. Dass du mir jetzt hilfst, ist … ist viel mehr, als ich verdient habe.«
    Kommunikationstraining, dritte Lektion. Das eigene Unrecht eingestehen – und mit diesen Anfängerphrasen versucht sie es bei mir? Nicht ausgeschlossen, dass sie es ehrlich meint, aber trotzdem.
    Nun beginnt es auch in meinen Beinen zu ziehen, sie sind so viel Gewicht nicht gewohnt. Ein Schritt, noch einer, noch einer. Wie lange laufe ich schon so? Noch keine fünf Minuten, da bin ich mir sicher.
    Das Herz pumpt heftig in meiner Brust, der Salvator erwacht plötzlich wieder zum Leben, er vibriert an meinem Handgelenk. Egal. Soll er heulen, vielleicht schlägt das die Prims ebenso in die Flucht wie vorhin die Wölfe.
    Ich muss auf mein Tempo achten. Nicht zu langsam, aber trotzdem kräftesparend. Im Moment verläuft der Weg eben, ich wünschte, ich könnte zu Aureljo aufschließen, der mir immer wieder besorgte Blicke zuwirft. Im Augenblick trägt er Dantorian allein, er und Fleming wechseln sich ebenso ab wie Tycho und ich.
    Wenn wir wenigstens wüssten, wie weit es noch ist. Die Prims sind zu Fuß gekommen und sie sehen aus, als könnten sie problemlos einen halben Tag oder länger durch den Schnee laufen, ohne müde zu werden. Wahrscheinlich sind sie es gewohnt, weil sie gar keine andere Möglichkeit haben. Keine Reittiere, keine Pferdewagen. Vermutlich ähnlich wie bei uns – auch die Sentinel legen die meisten Strecken zu Fuß zurück, wenn sie nicht die Magnetbahn benutzen. Die wenigen Schneefahrzeuge, die es gibt, werden nur spärlich eingesetzt. Treibstoff ist kaum vorhanden und er ist kostbarer als Gold. Und mit Strom betriebene Fahrzeuge sind meist zu schwach, als dass sie bei Schnee und Eis sinnvoll eingesetzt werden könnten.
    Alles an mir ist reine Erschöpfung, aber ich darf nicht daran denken. Muss die schmerzenden Arme und Schultern ignorieren, die Beine, die sich mit jedem Schritt schwerer anfühlen.
    Ich lenke mich ab, indem ich mich auf die Fremden konzentriere. Kann man erkennen, welchem Stamm oder Clan sie angehören? Es sind keine Weißen Greifer und auch keine Schlitzer, vermute ich, sonst wären wir bereits tot. Dann gibt es noch die … Nachtläufer, genau. Und irgendetwas mit Wolf im Namen. Wolfsjäger, Wolfshüter? Es fällt mir nicht ein.
    In meinem rechten Oberarm verkrampft sich ein Muskel. Verdammt! So gut ich kann, lockere ich die Schulter, ignoriere Tommas Frage, ob es denn noch geht, und laufe weiter. Der Salvator fiept. Am liebsten würde ich die Augen schließen und mich fallen lassen, der Schnee sieht so weich aus. Was, wenn es noch einen halben Tag so weitergeht? Dann »Lass mich sie nehmen.«
    Ich habe nicht gemerkt, dass Aureljo sich hat zurückfallen lassen. Dantorian hängt zwischen Fleming und einem Prim, dessen Namen ich nicht kenne, die beiden unterhalten sich.
    »Der Junge heißt Hennik und hat eine Mutter, die an ständigem Husten leidet«, erklärt Aureljo, ohne dass ich ihn gefragt hätte. »Fleming hat ihm versprochen, sie sich anzusehen.«
    Das ist gut, denke ich. Aussprechen kann ich es nicht, ich kriege vor Erschöpfung kein Wort heraus.
    Aureljo hebt Tomma von meinem Rücken und ich beginne beinahe zu weinen, weil das so guttut. Sie bedankt sich bei ihm, ich höre ihre Stimme, verstehe aber nicht, was sie sagt.
    Schwarze Punkte vor meinen Augen. Der Salvator vibriert wieder, unter meinen Händen ist Kälte, Schnee schneidet in meine Handflächen. Liegen bleiben. Warten, bis alles warm wird oder taub oder dunkel.
    Jemand packt mich am Arm und reißt mich hoch. Wir sind ein gutes Team, denke ich; obwohl ich Tycho noch nicht lange kenne, kümmert er sich darum, dass ich nicht schlappmache.
    Ich sehe hoch und begegne zwei Augenpaaren: einem braunen und einem gelb umrandeten. Immer noch vibriert der Salvator und der Vogel scheint es zu bemerken, es stört ihn. Er gibt schrille, rhythmische Laute von sich, sein Schnabel ist weit aufgerissen.
    Kaum stehe ich wieder auf den Beinen, gibt Sandor mir einen Stoß in den Rücken, der mich vorwärtsstolpern lässt. Ich atme tief ein und aus und mein Salvator gibt Ruhe. Ein Glück.
    Es geht

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