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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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gerade machte? Wieso dachte er eigentlich ausgerechnet in diesem Moment an Yvonne? Er schaute zu Jahzara, die mit Seyoum auf dem Bug saß und sich angeregt zu unterhalten schien. Ihr Haar wehte im Fahrtwind, ihr klares Profil hob sich gegen den blauen Himmel ab. Sie war schön, ja. Und doch spürte er, dass sich in den letzten Tagen seine Gefühle und Empfindungen für sie verändert hatten. Ihre Attraktivität faszinierte ihn noch immer. Die Lust, das Verlangen nach ihrem Körper schien jedoch mit dem Fahrtwind davonzuwehen. Vielleicht wuchs in ihm mehr und mehr die Erkenntnis, dass zwischen ihm und Jahzara nie mehr als eine tiefe Freundschaft sein würde, sein konnte. Wieder huschten Erinnerungen an Yvonne durch seine Gedanken. Er verdrängte das Gefühl, sie zu vermissen. Erneut fiel sein Blick auf Jahzara. Sie schaute zu ihm herüber, wirkte sehr angespannt und lächelte ihm nett zu. Nett, mehr nicht.
    Je weiter sie sich von Bahir Dar entfernten, umso mehr stieg die Spannung. Unvorstellbar der Gedanke, dass die Mönche in der Lage wären, die Frage nach dem Priesterkönig Johannes, nach Kaiserin Eleni und vielleicht sogar über den Verfasser des geheimnisvollen Buches oder des Sion -Dossiers zu beantworten. Drei Stunden würden sie noch bis zur Insel brauchen. Zeit genug, sich noch einmal mit seinen Notizen zu beschäftigen.
    Es war eine wunderschöne Bootsfahrt. Alle waren angespannt, doch bester Stimmung. Aber die dramatischen Geschehnisse der zurückliegenden Wochen holten sie unversehens ein, als der dickliche Bootseigner bei einem gemeinsamen Picknick an Bord plötzlich anfing zu schwatzen: »Ich bin so froh, dass ihr euch zu dieser Fahrt entschlossen habt. Nicht viele Besucher wagen diese lange Fahrt nach Tana Cherkos. Vor einigen Tagen hatte sich schon mal jemand dazu angemeldet. Ich hatte bereits Diesel, Getränke und Essen gekauft und das Boot klargemacht. Aber dann war der Kunde plötzlich verschwunden, kam einfach nicht mehr. In seinem Hotel haben sie mir dann gesagt, dass er überraschend abgereist sei. War schon ein komischer Typ. Wir leben in einer seltsamen Welt. Nicht mal mehr auf Priester kann man sich verlassen. Aber glücklicherweise habe ich ja jetzt euch als neue Passagiere.«
    Jahzara blickte erst ihren Vater und dann Peter schockiert an. Seyoum räusperte sich verlegen und versuchte mit einer hilflos wirkenden Geste, der dramatischen Information Banalität angedeihen zu lassen. Ohne Erfolg.
    Peter fühlte, wie sein Puls in den Adern schneller pochte. Das konnte nicht sein! Gestern, der Mönch – er hatte von einem Araber geträumt, einem Linkshänder, einem mit bösem Blick, der die Wellen des Tanasees mit seinem Hass aufpeitscht. War der Araber aus Venedig Linkshänder gewesen?
    Peter schaute Jahzara an. Er wusste nicht, was er sagen sollte, sah aber in ihren Augen, dass sie Angst hatte. Seyoum schien mit der Situation überfordert. Keiner wagte, dem anderen seine Gedanken und Ängste mitzuteilen. Der Bootseigner grinste etwas dümmlich und stellte sich dann wieder an das Steuerrad. Er warf einen etwas besorgten Blick auf den nördlichen Horizont, wo sich winzige Kumuluswolken wie Wattebäusche über dem Wasserspiegel aufbauten.
    Von diesem Moment an war jegliche Unbedarftheit gewichen. Jeder schwieg vor sich hin. Der Gedanke an den Araber stand allen ins Gesicht geschrieben. Schließlich beobachtete Peter, wie sich aus den winzigen Wölkchen am Horizont langsam, aber beständig bedrohlich mächtige Wolkenberge mit zartrosa farbigen Rändern und einem dunkelblauen Zentrum entwickelten. Er kannte solche Wolkenkonstellationen. Sie gehörten zu Afrika. In der Serengeti hatte er sie gesehen, Stunden bevor sintflutartige Regenfälle aus Rinnsalen tosende Flüsse hatten werden lassen. Er kannte sie aus Namibia, wo diese Wolkengebilde Jahr für Jahr ankündigten, dass nach heftigen Regenfällen in den weit entfernten Bergen Angolas die Trockenflüsse in wenigen Minuten zu todbringenden Strömen anschwellen würden. Diese Wolkengebilde waren Vorboten heftiger Unwetter.
    Und genau so, wie der Mönch es geträumt hatte, kam es. Erst legte sich der Wind. Die Oberfläche des Tanasees wurde so glatt wie ein Spiegel. Nirgendwo war ein Vogel am Himmel zu sehen. Kein Insekt umschwirrte das Boot. Kein Fisch sprang mehr aus dem Wasser empor. Die Natur signalisierte ihren Kreaturen durch geheime Botschaften, dass es besser sei, sich in Sicherheit zu bringen. Aber was Vögel, Fische und Fliegen angesichts

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