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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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aufstand, stieg die Morgensonne über den Bergkämmen des Hochtals auf, und es schien, als würde es ein guter Tag für eine Reise zum Tanasee werden, an die Quellen des Weißen Nils und zu dem alten Kloster.
     
    Sahib al Saif, Statthalter des Schwertes, ärgerte sich über die Unzuverlässigkeit des Angestellten der Autovermietung. Zwei Stunden hatte er vergeblich auf den reservierten Wagen gewartet, um nun zu erfahren, dass sein Wagen gestern Abend versehentlich im Papyrus-Hotel abgestellt worden war. Nervös schaute er auf die Uhr. Es war bereits neun. Um kurz nach elf würde das Flugzeug aus Addis landen. Der Flughafen war zwar nicht allzu weit entfernt von Bahir Dar, aber ihm wäre es lieber gewesen, wenn er vor der Ankunft der beiden das Terrain zwischen Flughafen und Stadt hätte sondieren können. Am Flughafen selbst sah er kaum eine Möglichkeit, aktiv zu werden. In Äthiopien wurden die Flughäfen strengstens bewacht. Auch hier war er weiträumig abgesperrt, und überall patrouillierten bewaffnete Soldaten. Nichts klappte wie geplant!
    Seit sich das Pärchen versteckt hielt, flossen die Informationen aus Kairo sehr dürftig. Das Einzige, was feststand, war die Ankunftszeit des Deutschen und der Äthiopierin. Von wem sie am Flughafen abgeholt und wen sie wo treffen würden, war völlig offen. Ohne Mietwagen musste er seine Pläne ohnehin ändern. Er sah keine Möglichkeit, die beiden vom Flughafen weg zu observieren. Missmutig bat er die Rezeptionistin, ihm ein Taxi für eine Fahrt zum Papyrus-Hotel zu bestellen. Die junge Frau schaute ihn verärgert an, weil er wenige Stunden zuvor entschieden hatte, sein Zimmer frühzeitig zu kündigen. Begründet hatte er das mit den fehlenden Moskitonetzen. Aber in Wirklichkeit hatte er keine andere Wahl gehabt, als das Hotel zu wechseln. Aus unerfindlichen Gründen hatte Jahzaras Vater sehr kurzfristig die bestehende Hotelreservierung geändert. Statt im Papyrus-Hotel würden sie nun im Tana wohnen, was ihm die beiden Derwische glücklicherweise mitten in der Nacht noch per Telefon mitgeteilt hatten. Woher die beiden Sufis das so schnell erfahren hatten, ließ die Vermutung zu, dass der Al-Sakina-Orden auch hier in Äthiopien exzellente Kontakte hatte. Wie auch immer: Jahzara, der Deutsche und ihr Vater würden hier nächtigen. Die Wahrscheinlichkeit, sich im Hotel über den Weg zu laufen, war ihm zu groß. Blöde Zufälle hatte es in dieser Sache schon zu viele gegeben. Entsprechend hatte er im Papyrus- Hotel ein Zimmer reserviert und einen Mietwagen ins Tana- Hotel bestellt. Der aber war versehentlich ins Papyrus geliefert worden.
    Er ging hinaus auf die Rampe vor dem Hotel. Misstrauisch taxierte er sein Umfeld. Auf dem Parkplatz standen nur vier Fahrzeuge. Drei davon schienen unverdächtig. Dann erstarrte er. Der dunkelblaue Toyota Land Cruiser! Sahib al Saif sah den Wagen und wusste sofort, dass hier etwas nicht stimmte. Wer stets im Bewusstsein lebt, beobachtet oder gesucht zu werden, betrachtet alle Geschehnisse mit Argwohn. Angst vor gegnerischen Geheimdienstleuten und Polizisten in Zivil schärft im Laufe der Zeit den Verstand und den Blick. Manchmal waren es nur Kleinigkeiten, die über Leben und Tod, zwischen Festnahme und Freiheit entschieden.
    Sahib al Saif überlegte angestrengt. Anfänger, dachte er sich. Die Äthiopier operierten noch immer wie Anfänger. Solche fünftürigen Land Cruiser, nagelneu, mit Rammschutz, getönten Scheiben und Wechselkennzeichen, hatte er schon in Addis vor diversen Ministerien gesehen. Am Flughafen der Hauptstadt auch. All diese Fahrzeuge wiesen ein gemeinsames verräterisches Merkmal auf: zwei weiße Plastikknöpfe auf den Kennzeichen. Darunter verbargen sich Druckknopfverschlüsse, die den schnellen Wechsel der Kennzeichen ermöglichten, was bei geheimdienstlichen Einsätzen vonnöten sein konnte.
    Sahib al Saif atmete schneller. War es Zufall, dass dieses Fahrzeug hier auf dem Parkplatz des Hotels stand, in dem er bis heute gewohnt hatte – und in dem ab heute seine Zielpersonen nächtigen würden? Äthiopien, das wusste er, war ein repressiver Staat. Der Staatschef ließ sein Volk überwachen. Die Opposition wurde unterdrückt, Andersdenkende wurden von der Geheimpolizei verfolgt und Regimekritiker verschwanden gelegentlich auf Nimmerwiedersehen. Es konnte also Zufall sein, dass dieser Wagen dort stand. Aber wo waren die Insassen? Hatte er, als er die Hure umgebracht hatte, verräterische Spuren hinterlassen? War die

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