Die Verschollenen
Schleim.
Becka und Shonette erreichten Jerry, aber sechs Monster waren direkt hinter ihnen. Jerry wirbelte das blinde Junge herum und schubste es von sich weg. Mit einem Schrei landete der Kleine auf dem Boden. Jerry, Shonette und Becka rannten auf den Ausgang zu.
»Hier!« Jerry gab Becka die Taschenlampe.
»Was hast du …«
»Lauf, verdammt noch mal! Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin direkt hinter euch. Aber ich bin der Einzige, der eine Waffe hat.«
Sie rannten durch den Tunnel. Der Strahl der Taschenlampe huschte unruhig über die Wände. Becka lief vorweg, gefolgt von Shonette. Jerry bildete das Schlusslicht.
Mit einem wütenden Heulen stürmten die Stammesmitglieder hinter ihnen durch die Dunkelheit.
DREIUNDZWANZIG
T roy brach durch das Unterholz aus dem Dschungel und rannte auf eine Klippe hinaus. Keuchend suchte er nah am Abgrund hinter einem Felsblock Deckung und versuchte, zu Atem zu kommen. Seine Brust hob und senkte sich hektisch. Unter ihm breitete sich das Meer wie eine schwarze Samtdecke aus. Das sich kräuselnde Wasser übte eine beruhigende Wirkung auf ihn aus. Draußen am Horizont sah er die blinkenden Lichter des Schiffes. Näher am Ufer spiegelte sich der Mond auf den Wellen. Dann erkannte er, dass es nicht der Mond war, sondern eine andere Lichtquelle. Er hob den Blick zum Himmel und sah, wie der Hubschrauber auf den Strand zuraste. Seine Suchscheinwerfer zogen große Kreise über das Land und das Wasser unter ihm.
»Scheiße! Das wurde verdammt noch mal auch Zeit. Jetzt muss ich es nur noch da runter schaffen.«
Hinter ihm waren endlich keine Verfolger mehr zu hören. Troy hatte die Kryptiden zu einer wilden Jagd über die Insel verleitet, wobei er drei von ihnen getötet und einige verletzt hatte. Doch er war nicht unverletzt davongekommen. Über seinen Rücken
und seine linke Wade zogen sich jeweils vier tiefe Kratzwunden, die ihm eines der Monster mit seinen Krallen verpasst hatte. Zusätzlich war er von Ästen und Dornenranken zerkratzt worden, einen Hügel runtergefallen und in eine Felsspalte gestürzt; er hatte sich an einem spitzen Vulkanstein das Knie aufgeschlagen, in der Dunkelheit von irgendeinem Insekt einen Stich in die Wange eingefangen und den Rücken verrissen (der immer mal wieder schmerzte, seit er ihn sich vor drei Jahren in der Werkstatt verletzt hatte). Das unfassbar laute Gebrüll, dem er in der letzten halben Stunde ständig ausgesetzt gewesen war, hatte ihm einen Tinnitus eingebracht. Die Wunden an Rücken und Bein rissen Striemen in seine Tätowierungen, was ihn mehr schmerzte als die körperlichen Qualen.
Doch trotz allem hatte er es irgendwie geschafft, sein Cap nicht zu verlieren.
Troy lauschte auf die Wellen, die unter ihm ans Ufer schlugen, auf die Vögel, die sich über ihm ankreischten, und auf das rhythmische Dröhnen der Rotorblätter des Hubschraubers, die alles andere untermalten. Er war derart erschöpft, dass er gerne einfach dort hinter dem Felsblock hocken geblieben wäre. Stattdessen riss er ein paar große Blätter von einem Busch und tupfte damit seine Wunden ab. Das Blut war noch nicht geronnen, aber zumindest floss es nicht mehr so stark. Er drehte den Kopf und versuchte, über die Schulter einen Blick auf die
Kratzer am Rücken zu werfen, aber allein die Bewegung löste starke Schmerzen aus. Stöhnend biss Troy die Zähne zusammen und schloss die Augen, bis der Schmerz nachließ. Er fragte sich, ob sich die Tattoos jemals wieder richten ließen. Konnte man auf Narbengewebe tätowieren?
Er kämpfte sich wieder auf die Füße und musterte wachsam den Rand des Dschungels. Nichts rührte sich. Entweder hatten sich die Kreaturen versteckt und warteten darauf, dass er sich zeigte, oder sie hatten die Verfolgung aufgegeben und waren in ihren Bau zurückgekehrt. Er sog die Luft ein, roch aber nichts von ihrem durchdringenden Gestank. Die Chancen standen also gut, dass sie in die Höhle zurückgekehrt waren. Falls es so war, hoffte er nur, dass er Jerry genug Zeit erkauft hatte, um die anderen zu retten und dann von dort zu verschwinden.
Mühsam humpelte Troy die Klippe entlang und suchte nach einem Weg nach unten. Der Helikopter war inzwischen außer Sichtweite, und obwohl er noch das Dröhnen der Rotorblätter und das hohe Quietschen der Hydraulik hörte, klang es, als würde der Antrieb runtergefahren, was wohl bedeutete, dass er gelandet war. Jetzt musste er es nur noch bis zum Hubschrauber schaffen, bevor sie wieder abhoben.
Oder
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