Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
dass ich mich von der Hysterie anstecken ließ, aber ich brauche meinen PKW nun mal. Ich bin zu sensibel für einen Vollzeitfußgänger. Die autolose Bevölkerung ist unberechenbar, sie verfügt über laute Stimmen und ihre Launen sind unkalkulierbar. Ich fühle mich einfach sicherer in meinem Wagen mit meinen Abba-Kassetten und Radio 4.
Freitag, 22. September
Ich wurde zur vereinbarten Zeit, um 10:30 Uhr, im Arbeitsamt vorstellig, und war überrascht, unverzüglich von einer recht sympathischen jungen Frau namens Jane Doxy in ihr Büro gebeten zu werden. Sie war proper in ein marineblaues Kostüm mit weißer Bluse gekleidet. Hohe Absätze wären ihrem Erscheinungsbild – meiner Ansicht nach – zuträglich gewesen, aber zweifellos wusste Jane
die Bequemlichkeit ihrer Gucci-Imitat-Mokassins zu schätzen.
Ich war so vorausschauend, ein Exemplar des Guardian mitzunehmen, um Jane zu vermitteln, dass ich ein intelligenter und belesener Mann bin. Obwohl ich mich angesichts der Daily Mail in ihrer Handtasche fragte, ob ich das Richtige getan hatte. Sie habe mein Manifest mit großem Interesse gelesen, sagte sie. Allerdings hätte sie (und die ganze Abteilung) den Eindruck, dass meine Schreiberei »nur ein Hobby« sei und dass »es nicht Aufgabe der Regierung sei, meine Freizeitinteressen zu subventionieren«.
Sie gab mir zwei Telefonnummern. Die erste war die von Eddie’s Tea Bar. Eddie hob selbst ab. Es ging um eine Stelle als Aushilfe in seinem Gaststättenbetrieb, einem in einer Parkbucht neben dem Zementwerk abgestellten Imbisswagen. Ich fragte, worin meine Aufgaben bestünden. »Du müsstest alles Mögliche machen, Burger braten, die Gasflaschen wechseln, so Zeug eben, für 3,60 £ die Stunde.« Unter dem wachsamen Blick von Jane Doxy rief ich bei der zweiten Nummer an. Eine sanfte Rentnerin namens Mrs Banbury-Pryce ging an den Apparat und sagte, sie brauche jemanden, der zweimal täglich mit ihren sechs Hunden Gassi ginge.
Am Montag fange ich bei Eddie an. Ich wusste einfach, dass ich mit meinem weichen Herz über kurz oder lang Mrs Banbury-Pryce beim Zuhaken ihres Korsetts und Schneiden ihrer Zehennägel behilflich wäre.
Sonntag, 24. September
Wachte um fünf Uhr morgens auf und stellte fest, dass ein kleines Erdbeben die East Midlands erschüttert hatte. Ein paar Hunde bellten, aber tragischerweise für die Medien wurde niemand getötet.
Montag, 2. Oktober
Eddie’s Tea Bar, Zementwerk, Leicestershire
Ich habe gerade Pause, sitze auf einem weißen Plastikstuhl und schreibe an einem dazu passenden Klapptisch. Ich bin umgeben von LKW- und Autofahrern. Es ist erst 11:30 Uhr, aber ich bin schon völlig erschöpft. Seit 5:00 Uhr bin ich auf den Beinen (wobei ich – um völlig aufrichtig zu sein, und auf die Gefahr hin, pedantisch zu wirken – die Fahrt hierher im Wagen sitzend absolviert habe).
Eddie und seine dritte Frau Sandra waren schon hier, als ich ankam, und die Teemaschine wurde bereits angeheizt, wie auch die Fritteusen und die Bratfläche. Eddie und Sandra müssen Fett in ihren Blutbahnen haben. Ihre Haare, Haut und Poren müssen davon verstopft sein. Als er mir eine riesenhafte Schürze reichte, sagte Eddie: »Den Gestank nach Fett kriegst du nie wieder los, mein Junge. Macht es schwer, eine Frau außerhalb der Branche zu finden.« Alle seine Ehefrauen waren demnach ebenfalls im Imbissgeschäft tätig. Ich versicherte ihm, dass ich momentan nicht aktiv auf der Suche nach einer Frau sei, und erzählte ihm, dass ich für einen Kurs im Erwachsenenbildungszentrum in Leicester mit dem Titel »Leben ohne Partner« angemeldet sei. Mitleidig betrachtete er mich und
fragte leise, ob bei mir »unter den Klamotten irgendwas nicht stimmt«.
Ich versicherte ihm, dass ich geschaffen sei wie jeder andere Mann auch, dass aber mein Herz in jüngster Zeit einige Male gebrochen worden sei und ich Zeit brauche, um mich davon zu erholen. Eddie hob den Pfannenwender von den brutzelnden Speckscheiben und meinte: »Ich kriege schlimmes Kopfweh, wenn ich nicht einmal am Tag meine Wurst verstecken kann, stimmt’s, Sandra?«
Sandra strich sich eine fettige Haarsträhne hinters Ohr und bestätigte: »Als ich mir die Krampfadern im Krankenhaus hab machen lassen, war er auf einer Schachtel Nurofen am Tag.« Eddie schüttelte den Kopf und starrte blicklos auf den LKW-Parkplatz, man sah ihm an, dass er den Schrecken sexueller Entbehrung noch einmal durchlebte.
Ich rief meine Mutter an, um mich zu erkundigen, wie
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