Die Verschwörer von Kalare
von der Bühne zu einem Seitenausgang des schüsselförmigen Theaterbaus. Draußen ließ der betäubende Druck der Emotionen nach, der von der Zuschauermenge ausging. Sie blieb in einem kleinen öffentlichen Garten stehen, wo Bäume und Blumen um einen eleganten Brunnen aus schwarzem Marmor wuchsen. Die Frühlingssonne brannte heiß vom Himmel herab, doch durch den Dunst, der von der Fontäne aufstieg, und durch den Schatten der Bäume herrschte hier angenehme Kühle. Sie setzte sich auf eine der Steinbänke, drückte die Finger an die Schläfen und atmete langsam durch, um sich zu entspannen.
»Ich weiß, wie du dich fühlst«, sagte eine eher trockene weibliche Stimme nahe bei ihr. Isana blickte auf und entdeckte eine große, gertenschlanke Frau mit fülligem rotem Haar und einem tiefgrünen Kleid, die auf der Bank neben ihr saß. »Das liegt an Parmos«, fuhr die Frau fort. »Er ist nie zufrieden, ehe er das Publikum nicht bis an den Rand des Aufstandes gebracht hat. Und ich mag seine Stimme nicht. Viel zu honigsüß.«
Isana lächelte und neigte den Kopf. »Hohe Fürstin von Placida. Ich wünsche einen guten Nachmittag.«
»Wehrhöferin«, antwortete die Fürstin mit übertriebener Förmlichkeit. »Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich mich gern eine Weile mit dir unterhalten.«
Isana sah sie an. »Hoheit?«
Sie hob die Hand. »Aber nicht doch, Wehrhöferin. Dies ist ganz bestimmt keine förmliche Begegnung. Wie würde es dir gefallen, wenn ich dich Isana nenne und du mich Aria?«
»Gut, sehr gut.«
Die Fürstin nickte knapp. »Gut. Viele Cives sehen leider immer nur die Privilegien eines hohen Ranges und setzen sich über ihre Pflichten hinweg. Glücklicherweise gehörst du nicht zu ihnen.«
Isana war unsicher, wie sie darauf antworten sollte, und nickte nur.
»Mit großem Bedauern habe ich von dem Überfall auf dich vor Ritter Nedus’ Haus gehört, in der Nacht, in der wir uns kennen gelernt haben.«
Die Erinnerung versetzte Isana einen schmerzhaften Stich, tief im Bauch nahe ihrer Hüfte. Die Pfeilwunde war sauber verheilt, aber es war eine blasse Narbe zurückgeblieben, kaum mehr als eine leichte Verfärbung der Haut. »Nedus war ein guter Mann. Und Serai war eine bessere Freundin, als ich zunächst angenommen hatte.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, es wäre alles anders gekommen.«
Die Fürstin lächelte, doch lag eine gewisse Traurigkeit in ihrer Miene. »So geht es im Leben nun einmal. Es ist leicht, im Nachhinein festzustellen, welche Entscheidungen man hätte treffen sollen, aber leider ist es dann zu spät dafür. Ich vermisse Serai. Wir haben uns nicht nahegestanden, doch ich habe sie respektiert. Und ich habe ihr Talent bewundert, aufgeblasene Windbeutel platzen zu lassen.«
Isana lächelte. »Ich wünschte, ich hätte sie länger gekannt.«
Einen Augenblick lang schwiegen beide, ehe die Fürstin sagte: »Ich habe deinen Neffen während all der Aufregung bei diesem Winterend-Fest kennen gelernt.«
»Ach ja?«, fragte Isana.
»Ja. Ein vielversprechender junger Mann, denke ich.«
Isana zog eine Augenbraue hoch, betrachtete die Fürstin kurz und fragte vorsichtig: »Warum sagst du das?«
Die Fürstin breitete langsam die Hand aus. »Er hat mich mit seiner Klugheit beeindruckt. Schlau ist er und entschlossen. Und höflich. Außerdem empfinde ich einen ähnlichen Respekt für einige der jungen Menschen, die zu seinen Freunden zählen. Man erfährt eine Menge über eine Person, wenn man sich die Leute ansieht, mit denen sie sich im Leben umgibt.«
Isana entging die Andeutung nicht, die sich hinter den Worten der Fürstin verbarg, und sie nickte dankbar. »Tavi war immer sehr klug«, sagte sie und lächelte unwillkürlich. »Zu klug, möchte ich manchmal meinen, als gut für ihn ist. Er hat sich nie von Hindernissen aufhalten lassen.«
»Sein … Zustand«, sagte die Fürstin sehr behutsam. »Etwas Vergleichbares ist mir noch nie zu Ohren gekommen.«
»Es war schon immer ein Rätsel«, stimmte Isana zu.
»Dann hat sich bislang nichts daran geändert?«
Isana schüttelte den Kopf. »Und dabei gibt es so viele Menschen mit großen Elementarkräften, die niemals etwas Sinnvolles damit anstellen.«
»Wie wahr«, antwortete die Fürstin von Placida. »Bleibst du lange in Ceres?«
Erneut schüttelte Isana den Kopf. »Höchstens noch ein paar Tage. Ich bin schon zu lange fort von meinem Wehrhof.«
Die Fürstin nickte. »Auf mich wartet ebenfalls ein Berg Arbeit. Und ich
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