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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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seinen eigenen Namen lösen und einen Frachterkapitän bestechen oder auf andere Weise dazu bringen musste, sie an Bord zu nehmen.
     
    Draußen auf der Straße war es heiß und staubig. Säuerlich hing der Gestank von Abwässern in der Luft. Schornsteine stießen Rauch aus, der so dicht war, dass er die Sonne verdunkelte.
    Pitt eilte in Richtung Süden. Er wollte Isaak unverzüglich aufsuchen und vor der drohenden Gefahr warnen. Er kam an einem Zeitungsverkäufer vorüber und warf einen Blick auf die Schlagzeilen. Es war immer noch dieselbe Zeichnung, darunter aber stand jetzt in großen schwarzen Buchstaben: ZUCKERFABRIKMÖRDER GESUCHT, wohl für den Fall, dass jemand dessen Angriff auf die Gemeinschaft übersehen hatte. Mit jeder neuen Ausgabe der Zeitungen schien sich das Bild ein wenig zu verändern und jedes Mal Isaak ein wenig mehr zu ähneln.
    Pitt beschleunigte den Schritt, vorüber an Straßenhändlern, an Männern, die Karren schoben, an Bettlern, an einem Bänkelsänger, der bereits eine Schauerballade über den Mord an Sissons vortrug. Darin wurde formuliert, was ohnehin fast alle dachten: Der Täter müsse ein Geldverleiher sein, der einem säumigen Schuldner eine Lektion erteilt hatte. Die Ballade war raffiniert gebaut. Zwar kam das Wort ›Jude‹ darin nicht vor, dennoch wurde klar, wer gemeint war.
    In der Heneagle Street angekommen, ging Pitt sofort in die Küche, ohne sein Zimmer aufzusuchen. Lea stand am Herd und rührte in einem Topf. Der Geruch nach Kräutern hing angenehm in der Luft. Isaak saß am Tisch; neben ihm am Boden standen zwei fleckige Tuchtaschen.
    Bei Pitts Eintreten fuhr er herum. Seine Augen waren stumpf vor Erschöpfung, tiefe Linien hatten sich in sein Gesicht eingegraben.
Pitt brauchte nicht zu fragen, ob er die Anschläge gesehen und ihren Sinn verstanden hatte.
    »Sie müssen fort!«, sagte er mit einer Stimme, die schroff klang, obwohl er es nicht so meinte. Er merkte, dass Furcht und Wut darin mitschwangen. Sie befanden sich in England. Die Karanskys hatten nichts getan. Wieso mussten sie da vor dem Gesetz fliehen?
    »Wir gehen schon«, sagte Isaak und zog seine alte Jacke an. »Wir haben nur noch auf Sie gewartet.«
    »Ihr Abendessen steht auf dem Herd«, teilte ihm Lea mit. »In der Speisekammer ist Brot. Saubere Hemden liegen auf Ihrer Kommode – «
    Man hörte ein lautes Klopfen an der Tür.
    »Gehen Sie«, sagte Pitt mit erstickter Stimme.
    Isaak nahm Lea am Arm und schob sie zum großen Fenster im hinteren Teil des Raumes.
    »Im Schrank ist Seife«, sagte sie zu Pitt. »Sie finden – «
    Das Donnern an der Haustür wurde lauter.
    »Sie erfahren über Saul von uns«, sagte Isaak, während er das Fenster öffnete und Pitt in den Flur ging. »Gott schütze Sie.« Er half Lea hinaus.
    »Sie auch«, antwortete Pitt.
    Inzwischen wurde so kräftig an die Tür gehämmert, dass sie jeden Augenblick aufspringen konnte.
    Ohne weiter zu den Flüchtenden hinzusehen, trat Pitt durch den kurzen Flur zur Tür und schob den Riegel gerade in dem Augenblick zurück, als ein weiterer Schlag gegen das Holz geführt wurde, der die Tür womöglich aus den Angeln gerissen hätte.
    Vor ihm stand Harper, neben ihm Wachtmeister Jenkins, der äußerst kummervoll dreinsah.
    »Ach, Sie wieder!«, sagte Harper mit einem Lächeln. »Das ist ja eigenartig.« Er stürmte an Pitt vorüber in die Küche. Sie war leer. Er sah verwirrt drein und verzog die Nase über den Geruch der ihm unbekannten Kräuter. »Wo sind die Leute? Wo ist Isaak Karansky?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Pitt und tat überrascht. »Seine Frau hat vor kurzem das Haus verlassen, weil sie noch etwas
holen wollte, was sie zum Abendessen brauchte.« Er wies auf den Topf, der auf dem Herd vor sich hin brodelte.
    Aufmerksam sah sich Harper in der Küche um, enttäuscht, aber noch nicht misstrauisch. Er steckte die Nase in den Kochtopf und musterte alles, was es in der Küche gab. Karanskys beste Jacke hing an einem Haken hinter der Tür. Im Stillen dankte Pitt Gott für das Bewusstsein der Angst, das Isaak veranlasst hatte, sie zurückzulassen, obwohl sie für ihn sicher sehr wertvoll war. Er sah Harper mit einem Hass an, den er nicht verbergen konnte. Die Situation schmerzte ihn, als ob ihm jemand ein scharfes Messer im Leibe herumdrehte.
    Harper zog sich einen der Stühle herbei und setzte sich. »Dann warten wir eben, bis die zurückkommen«, erklärte er.
    Pitt trat an den Herd und rührte im Topf. Er verstand zwar nichts vom

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