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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Parteienhader herausgehalten, sodass ihm die öffentliche Meinung nicht unterstellen konnte, seinen persönlichen Vorteil zu suchen.
    Während Vespasia alles durch den Kopf ging, was sie über ihn wusste, begriff sie, dass es mit Charlottes Vermutung durchaus seine Richtigkeit haben konnte. So manches andere ergab jetzt einen Sinn: Fetzen von Unterhaltungen, die sie zufällig gehört hatte, Dinge, die Pitt ihr gesagt hatte, sogar ihre Zusammenkunft mit Randolph Churchill.
    Dann fiel ihr etwas anderes ein, und der winzige Zweifel, an den sie sich hoffnungsvoll geklammert hatte, schwand dahin.
    »Tante Vespasia …«, sagte Charlotte leise und beugte sich vor.
    »Ja«, wiederholte Vespasia. »Das meiste, was du sagst, stimmt. Aber ich denke, dass du eins falsch gedeutet hast. Sofern du eine Möglichkeit hast, das Mrs. Fetters mitzuteilen, wird sie das sehr trösten. Allerdings müssen wir vor allem an ihre Sicherheit denken, und falls sie das Buch besitzt, fürchte ich, dass man sie nicht in Ruhe lassen wird.«
    »Sie hat es nicht«, sagte Charlotte rasch. »Sie hat es verbrannt, in Voiseys Kamin. Aber was soll ich falsch verstanden haben?«
    Vespasia seufzte mit gerunzelten Brauen. »Angenommen, Adinett hat an jenem bewussten Tag in Fetters’ Bibliothek Kenntnis von dem Dokument und von der Beteiligung seines Freundes an der Verschwörung zum Umsturz erlangt – warum hat er es dann nicht einfach mitgenommen?«, fragte sie.
    »Er wusste nicht, wo es war, und er hatte keine Zeit, danach zu suchen«, gab Charlotte zur Antwort. »Es war äußerst gut versteckt. Martin Fetters hatte es so eingebunden, dass es genauso aussah wie …« Dann riss sie die Augen weit auf. »Ach so, natürlich. Wenn er es gesehen hatte, wusste er auch, wo es zu finden war! Warum hat er es nicht mitgenommen?«
    »Wer hat es geschrieben?«
    »Das weiß ich nicht. Es waren zwei oder drei verschiedene
Handschriften. Willst du etwa darauf hinaus, dass das Buch gar nicht Fetters gehörte?«
    »Ich vermute, dass Adinett einen Teil des Textes geschrieben hat«, sagte Vespasia, »Voisey möglicherweise einen weiteren, und unter Umständen war auch Reginald Gleave beteiligt. Ich denke, dass Fetters’ Handschrift keinesfalls darin zu finden ist.«
    »Aber er hat es eingebunden!«, gab Charlotte zu bedenken. »Immerhin hat er eine Republik befürwortet und nie etwas anderes behauptet.«
    »Das tun viele«, sagte Vespasia gelassen, bemüht, den Schmerz nicht zu zeigen, den sie empfand. »Aber die meisten wollen sie nicht mithilfe von Gewalt und Täuschung errichten. Sie werben ausschließlich mit Argumenten dafür, versuchen mit Leidenschaft oder Vernunftgründen zu überzeugen – oder mit beidem. Falls Martin Fetters zu dieser Art von Vertretern der Republik gehörte, mussten ihn seine Mitstreiter sofort zum Schweigen bringen, als er entdeckt hatte, dass sie weit radikaler vorzugehen gedachten als er.«
    »Und das hat Adinett getan«, schloss Charlotte. In ihren Augen lag Angst. »Kein Wunder, dass Voisey aggressiv reagiert hat, weil Thomas so beharrlich Beweismaterial gegen Adinett gesammelt und mehr oder weniger dafür gesorgt hat, dass er in eine Situation geriet, in der Voisey selbst Adinetts Berufung verwerfen musste! Da sich bereits drei seiner Kollegen gegen eine Revision des Urteils ausgesprochen hatten, hätte er mit einem abweichenden Votum lediglich seine Karten aufgedeckt, ohne Adinett damit retten zu können.« Einen Augenblick lang legte sich ein bitteres Lächeln auf ihre Züge. »Das hat seine Haltung nur noch verschärft.« Dann wurde ihr Gesicht sanfter. »Ich bin aber wirklich froh, dass Martin Fetters nicht zu diesen Leuten gehört hat. Ich habe ihn gleich gut leiden können, als ich gelesen hatte, was er schrieb. Vor allem aber wird seine Frau erleichtert sein, wenn ich ihr das sage. Gibt es irgendeine Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass sie in Sicherheit ist, können wir ihr irgendwie helfen?«
    »Ich werde darüber nachdenken«, sagte Vespasia. So wichtig diese Frage war, anderes war vordringlich und beschäftigte sie noch mehr.
    Charlotte sah sie aufmerksam und besorgt an.
    Vespasia war nicht bereit, mit ihr über das zu sprechen, was ihr durch den Kopf ging; vielleicht würde sie das nie tun. Manche Dinge gehören ausschließlich zu einem selbst und lassen sich nicht in Worte fassen.
    Sie stand auf. Sogleich erhob sich Charlotte; ihr war klar, dass Vespasia allein sein wollte.
    »Thomas war gestern hier«, sagte diese. »Es

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