Die Verschwörung
nachlässig. Ken wollte offenbar, daß ihr versorgt seid, falls ihm etwas zustößt. Liebevolle Taten sagen oft mehr als Worte.« Brooke war sicher, daß ihre letzte Bemerkung schrecklich nichtssagend und lahm geklungen hatte, und sie beschloß, von nun an zu diesem Thema zu schweigen.
Anne zog einen halbhohen roten Ordner hervor und reichte ihn ihr.
»Ich glaube, das hier ist es, was du suchst. In der Schublade sind noch mehr davon. Das ist der neueste.«
Brooke schaute sich den Rücken des Ordners an, dann die Vorderseite, auf der ein Etikett klebte, das besagte, daß der Ordner die Kontoauszüge des laufenden Jahres enthielt. Sie klappte ihn auf. Die Auszüge waren sauber beschriftet und chronologisch nach Monaten sortiert; der letzte Monat lag ganz oben.
»Die stornierten Schecks sind in der anderen Schublade. Ken hat sie nach Jahren geordnet.«
Verdammt! Brooke verwahrte ihre finanziellen Unterlagen in mehreren Schubladen in ihrem Schlafzimmer auf - und sogar in der Garage. Wenn eine Steuererklärung anstand, brach bei ihrem Steuerberater stets der Notstand aus.
»Anne, ich weiß, daß du Besuch hast. Ich kann mir die Sachen auch allein anschauen.«
»Wenn du willst, kannst du sie mitnehmen.«
»Wenn du nichts dagegen hast, schaue ich sie mir lieber hier an.«
»Na schön. Möchtest du etwas essen? Oder trinken? Ich habe gerade eine frische Kanne Kaffee aufgesetzt.«
»Kaffee wäre prima, danke. Mit wenig Milch und Zucker.«
Anne wirkte plötzlich nervös. »Du hast mir noch nicht erzählt, ob du irgendwas gefunden hast.«
»Bevor ich etwas sage, möchte ich ganz sichergehen. Ich will jeden Irrtum ausschließen.« Brooke schaute der armen Frau in die Augen und hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen. Jetzt war sie hier und ließ sich von der ahnungslosen Witwe des Mannes helfen, dessen Andenken sie möglicherweise beflecken mußte.
»Wie kommen die Kinder damit klar?« fragte sie und tat ihr Bestes, das miese Gefühl abzuschütteln.
»Wie Kinder eben damit klarkommen, nehme ich an. Sie sind sechzehn und siebzehn und verstehen die Dinge natürlich besser als Fünfjährige. Aber es ist trotzdem sehr hart. Für uns alle. Es gibt nur einen Grund, daß ich nicht heule: Seit heute morgen habe ich keine Tränen mehr. Die Kinder habe ich in die Schule geschickt, weil ich finde, daß für sie nichts schlimmer sein kann, als hier herumzusitzen, während die Leute hereinmarschieren und über ihren Papa reden.«
»Du hast wahrscheinlich recht.«
»Man kann nur sein Bestes geben. Ich habe immer gewußt, daß es so kommen kann. Du lieber Himmel, Ken war vierundzwanzig Jahre beim FBI. Er wurde nur einmal im Dienst verletzt - als sein Wagen einen Platten hatte und er sich beim Reifenwechsel einen Muskel zerrte.« Anne lächelte kurz über diese Erinnerung. »Er hat sogar darüber gesprochen, in den Ruhestand zu gehen. Vielleicht wären wir weggezogen, wenn die Kinder beide auf dem College sind. Kens Mutter wohnt in South Carolina. Sie kommt jetzt in das Alter, in dem man seine Familie in der Nähe braucht.«
Anne sah aus, als würde sie jeden Augenblick wieder in Tränen ausbrechen, und Brooke wußte nicht, ob sie in diesem Fall mit ihr geweint hätte, so hundeelend fühlte sie sich.
»Hast du auch Kinder, Brooke?«
»Einen Jungen und ein Mädchen. Drei und sechs.«
Anne lächelte. »Das sind ja fast noch Babys.«
»Soviel ich weiß, wird es schwieriger, wenn sie älter werden.«
»Na ja, sagen wir mal ... Es wird verzwickter. Es geht vom Spucken, Beißen und aufs Töpfchen Gehen bis zum Streit um Kleidung, Jungs und Geld. Wenn sie so um die dreizehn sind, wollen sie mit Ma und Pa auf einmal nichts mehr zu tun haben. Es ist eine schwierige Zeit, aber irgendwann kommen sie zu einem zurück. Dann wird einem vor Angst übel, wenn man nur an Alkohol und Autos, Sex und Drogen denkt.«
Brooke brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Mann, ich kann’s kaum erwarten.«
»Wie lange bist du schon beim FBI?«
»Dreizehn Jahre. Ich bin nach einem unglaublich langweiligen Jahr als Wirtschaftsjuristin dazugestoßen.«
»Es ist ein gefährlicher Job, nicht wahr?«
Brooke schaute sie an. »Ja. Er kann wirklich gefährlich sein.«
»Bist du verheiratet?«
»Auf dem Papier, ja, aber in ein paar Monaten nicht mehr.«
»Oh. Tut mir leid.«
»Glaub mir, es ist besser so.«
»Behältst du die Kinder?«
»Natürlich.«
»Das ist gut. Kinder gehören zur Mutter. Ist mir egal, was die politisch Korrekten dazu
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