Die Verschwörung
Ahnung, was in der vergangenen Nacht geschehen war, und Thornhill wollte alles tun, daß es auch so blieb.
Wie konnten sie geflohen sein? Mit der Eisenbahn? Thornhill bezweifelte es. Züge waren langsam. Und mit einem Zug konnte man nicht nach Übersee reisen. Ein Zug zum Flughafen lag schon eher im Bereich des Möglichen. Oder ein Taxi. Das erschien ihm noch wahrscheinlicher.
Thornhill ließ sich wieder in den Sessel sinken. Kurz darauf trat ein Assistent mit den Unterlagen ein, die sein Chef angefordert hatte. Obwohl die CIA mit den modernsten Rechnern ausgestattet war, hielt Thornhill gern Papier in den Händen, wie in den guten alten Zeiten. Mit Papier konnte er klarer denken. Bei einem Bildschirm voller Buchstaben sah die Sache anders aus.
Die üblichen Routen wurden also alle überwacht. Doch was war mit den unüblichen? Kam hinzu, daß Faith Lockhart mit Hilfe eines professionellen Ermittlers flüchtete. Vielleicht waren beide mit falschen Papieren unterwegs. Vielleicht hatten sie sich sogar maskiert. Thornhill hatte seine Männer an allen drei Flughäfen Washingtons und sämtlichen Bahnhöfen postiert. Mehr konnte er kaum tun. Doch Lockhart und Adams konnten sich problemlos einen Wagen mieten und nach New York fahren, um dort in ein Flugzeug zu steigen. Sie konnten auch nach Süden reisen und dort das gleiche tun. Die Sache war verdammt problematisch, soviel stand fest.
Thornhill konnte Verfolgungsjagden dieser Art nicht ausstehen. Es gab zu viele Möglichkeiten, die man im Auge halten mußte, und er hatte für Aktivitäten »außer der Reihe« zu wenig Leute. Immerhin genoß er den Vorteil, mehr oder weniger autonom operieren zu können. Niemand hatte je genau von ihm wissen wollen, was er eigentlich tat. Hätte man ihn gefragt, hätte er den Fragen leicht ausweichen können. Er hatte schließlich Erfolge vorzuweisen, die alle gut dastehen ließen; das war seine größte Waffe.
Es war viel besser, Flüchtige dazu zu bringen, daß sie zu einem kamen, was mit dem richtigen Köder nicht allzu schwierig war. Nur war Thornhill bislang noch nicht eingefallen, was im konkreten Fall der richtige Köder war. Er mußte länger darüber nachdenken. Faith Lockhart hatte keine Familie, keine alten Eltern und keine kleinen Kinder. Über Adams wußte er noch nicht genug, aber das kam schon noch. Wenn der Kerl sich gerade erst mit Lockhart zusammengetan hatte, konnte er unmöglich bereit sein, alles für sie herzugeben. Jetzt noch nicht.
Sofern nichts anderes dazwischen kam, mußte er sich auf Adams konzentrieren. Sie hatten eine Verbindungslinie zu ihm, weil sie seine Wohnung kannten. Wenn sie ihm eine diskrete Mitteilung machen wollten, war das möglich.
Dann wandten Thornhills Gedanken sich Buchanan zu. Er hielt sich derzeit in Philadelphia auf und traf sich mit einem prominenten Senator, um mit ihm zu besprechen, wie man weiterhin im Interesse seiner Klienten tätig werden konnte. Gegen den Burschen hatten sie so viel in der Hand, daß es ein Leichtes gewesen wäre, ihn so fertigzumachen, bis er um sein jämmerliches Leben bettelte. Der Kerl war der CIA schon seit längerem ein Dorn im Fleische. Er hatte sie von seinem Hochsitz im Bewilligungsausschuß ganz besonders gepiesackt. Thornhills Rache würde um so grausamer ausfallen.
Er malte sich aus, wie er in die Büros dieser mächtigen Politiker marschierte und ihnen die Videos, Bänder und papierenen Spuren zeigte, auf denen sie selbst und Buchanan zu sehen waren - bei der Planung ihrer kleinen Verschwörungen und mit allen Einzelheiten über ihre Schmiergelder. Wie willig doch alle gewesen waren, Buchanans zugesagten Zahlungen entgegenzukommen. Wie gierig sie nun dastanden!
Hätten Sie vielleicht die Güte, mir die Stiefel zu lecken, Herr Senator? Auf die Knie, du jämmerlicher Abschaum! Von nun an tust du genau das, ums ich dir sage, nicht mehr und nicht weniger. Sonst zertrete ich dich schneller, als du sagen kannst: »Geben Sie mir Ihre Stimme.«
Natürlich würde Thornhill so etwas niemals sagen. Diesen Männern kam man mit Respekt entgegen, auch wenn sie ihn nicht verdienten. Er würde ihnen auftischen, Danny Buchanan sei verschwunden und habe die Aufzeichnungen bei ihm zurückgelassen. Er würde ihnen vorheucheln, daß er nicht genau wisse, was er mit dem Beweismaterial anfangen solle, daß aber die Möglichkeit bestünde, daß es beim FBI landete. Daß es eine abscheuliche Sache sei; daß diese feinen Herren unmöglich an diesen Verbrechen mitgewirkt
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