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Die Verschwörung

Die Verschwörung

Titel: Die Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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stellte fest, daß sie sich nicht von der Stelle rühren konnte. Du lieber Himmel, sie konnte kaum Luft holen. Und ihre Knie fingen an zu zittern.
    Wie in der fünften Klasse, in der Pause. Der Junge mit den männlichen Augen. Sie hatten die gleiche Farbe wie Lees Augen gehabt. Er war mit einem Motorrad mit Bananensitz dorthin gekommen, wo sie auf der Schaukel gesessen hatte, in ein Buch vertieft.
    »Hast du Lust auf ‘ne Spritztour?« hatte er gefragt. »Nein«, hatte sie geantwortet. Dann hatte sie das Buch sinken lassen und war auf den Rücksitz gestiegen. Zwei Monate lang waren sie miteinander »gegangen«, hatten die Zukunft geplant und sich ewige Liebe geschworen. Er hatte Faith nur mal kurz auf den Mund geküßt Dann war ihre Mutter gestorben, und ihr Vater war wieder einmal mit ihr fortgezogen. Sie fragte sich kurz, ob Lee der Junge von damals sein mochte. Faith hatte die Erinnerung an ihn so vollständig aus ihrem Unterbewußtsein verbannt, daß ihr nicht mal mehr sein Namen einfiel. War doch möglich, daß er Lee geheißen hatte, oder? Sie stellte es sich vor, denn nur einmal im Leben waren ihr die Knie weich geworden: damals auf dem Spielplatz. Der Junge hatte den gleichen Spruch gesagt wie Lee, die Sonne hatte sich in seinen Augen gespiegelt wie bei Lee, und Faiths Herz hatte sich angefühlt, als würde es explodieren, wenn sie nicht sofort tat, was er verlangte. So wie jetzt.
    »Alles in Ordnung?« fragte Lee.
    Faith packte die Lenkstange, um ihr Gleichgewicht zu wahren und fragte so ruhig sie konnte: »Und du kannst’ so einfach damit wegfahren?«
    »Der Laden gehört meinem Bruder. Die Maschine ist ein Vorführmodell. Offiziell machen wir nur ‘ne ausgedehnte Probefahrt.«
    »Ich kann es nicht fassen, daß ich so etwas tue.« Aber wie damals in der fünften Klasse konnte sie gar nicht anders.
    »Denk an die Alternative, dann wird dir der Gedanke eines Ritts auf dieser Honda schon sympathischer.« Lee setzte die Sonnenbrille auf und klappte das Helmvisier herunter, als wollte er den Satz mit einem Ausrufungszeichen beenden.
    Faith zog die Motorradkluft an, und mit Lees Hilfe gelang es ihr, den Helm richtig zuzumachen. Er stopfte ihr Gepäck in die geräumigen Satteltaschen, und Faith nahm hinter ihm Platz. Er ließ den Motor an, drehte ihn eine Weile hoch und gab Gas. Als er die Kupplung losließ, wurde Faith von der Beschleunigung der Honda in die gepolsterte Rückenlehne gedrückt, und sie ertappte sich dabei, daß sie Arme und Beine um Lee schlang - beziehungsweise um die zentnerschwere Maschine. Sie bogen auf den Jeff Davis Highway ein und fuhren nach Norden.
    Als die Stimme an ihrem Ohr erklang, wäre Faith vor Schreck beinahe vom Motorrad gesprungen.
    »Okay, beruhig dich«, sagte Lee. »Es ist ‘ne Helmfunkanlage.« Er hatte ihren Schreck offenbar gespürt. »Bist du je zu deinem Strandhaus gefahren?«
    »Nein, ich bin immer geflogen.«
    »In Ordnung. Ich hab’ ‘ne Landkarte. Wir fahren über die 95 und gehen bei Richmond auf die Interstate 64. Die bringt uns nach Norfolk. Von da aus tüfteln wir die beste Route aus. Unterwegs gehen wir was spachteln. Bevor es zu dunkel wird, müßten wir da sein. Alles klar?«
    Faith nickte. Dann fiel ihr ein, daß sie sprechen mußte. »In Ordnung.«
    »Bleib jetzt ruhig sitzen und entspann dich. Du bist in guten Händen.«
    Statt ruhig zu sitzen, schmiegte sie sich an ihn, schlang die Arme um seine Taille und hielt sich fest. Und auf der Stelle fielen ihr die beiden göttlichen Monate in der fünften Klasse wieder ein. Das mußte ein Omen sein. Vielleicht konnten sie beide wegfahren und für immer verschwinden. Sie konnten an den Outer Banks ein Boot mieten und irgendwo in der Karibik an Land gehen. An einem Ort, den außer ihnen nie jemand zu sehen kriegen würde. Sie konnte lernen, wie man eine Hütte in Schuß hielt, mit Kokosmilch zu kochen oder was es dort sonst gab, und eine gute Hausfrau zu sein, während Lee unterwegs war und fischte. Sie konnten sich jeden Abend im Mondschein lieben. Sie schmiegte sich noch fester an ihn. Es klang nicht übel. Unter den derzeitigen Umständen klang es nicht mal an den Haaren herbeigezogen. Kein bißchen.
    »He, Faith«, sagte seine Stimme an ihrem Ohr.
    Sie berührte seinen Helm mit dem ihren und spürte seinen starken, breiten Rücken an ihren Brüsten. Sie war wieder zwanzig, der Wind war herrlich, die Wärme der Sonne anregend, und ihre größte Sorge war die Zwischenprüfung. Sie stellte sich plötzlich

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