Die Verschworenen
vierzigjähriger Mann mit hellblondem Haar sitzt. »Ich habe schon alles in die Wege geleitet, ich brauche nur noch deine Zustimmung.«
»Moment.« Der Mann, den Albina Osler genannt hat, ist seiner Kleidung nach zu schließen ebenfalls Arzt, und er ist höchst beschäftigt. Ein Stapel grüner Dossiers nimmt die linke Seite des Schreibtisches ein, eins liegt aufgeschlagen vor ihm. Er wirft mir nur einen kurzen, nicht besonders interessierten Blick zu und konzentriert sich dann auf den Text, den er gerade liest.
Wir warten.
Es dauert nicht lange und der Mann klappt das Dossier zu. Mustert mich diesmal intensiver. »Sie ist vom Bringdienst«, stellt er fest.
»Das habe ich dir doch vorhin schon gesagt.«
»Du spinnst, Albina.«
Ich halte mich im Hintergrund, während Albina bis knapp vor den Schreibtisch tritt, sich mit beiden Händen darauf abstützt und zu dem Arzt hinunterbeugt. »Meine letzte Assistentin hat Patienten beklaut und konnte kaum lesen. Das Mädchen hier weiß, was zyanotisch bedeutet, und hat gelernt, wie man reanimiert. Bist du so verstockt oder tust du nur so?«
Der Arzt würdigt sie keiner Antwort, sondern legt den Kopf schief und sieht mich an. »Was bedeutet zyanotisch, Bringdienstmädchen?«
Wenn es nur um mich ginge, würde ich mit den Schultern zucken, dümmlich lächeln und in einer Minute diesen Raum verlassen können. Aber ich möchte Albina nicht bloßstellen.
»Zyanotisch heißt, dass sich die Haut blau verfärbt, besonders an den Lippen und Fingern.« Ich gebe mir Mühe, es möglichst einfach auszudrücken und nicht versehentlich weitere Fachbegriffe einzubauen.
»Richtig. Und was ist die Ursache einer Zyanose?«
»Sauerstoffmangel.« Das nicht zu wissen, wäre lächerlich.
Albina strahlt. »Siehst du? Sie hat Hedgar gefunden, uns alarmiert, nebenbei die richtige Diagnose gestellt und dann so lange sein Herz bearbeitet, bis ich mit dem Defibrillator da war.«
Der Arzt legt die Fingerspitzen aneinander und betrachtet mich nachdenklich.
Komme ich ihm bekannt vor? Oh, bitte nicht, bis jetzt ist alles so gut gelaufen …
»Du hast als Pflegehilfe gearbeitet?«
Das habe ich Albina gegenüber schon erwähnt, außerdem ist es auf meinem Chip vermerkt. Ich nicke.
»Welche Sphäre?«
»Konstanz.« Wieder einer dieser Momente, die mich den Kopf kosten können. Wenn er sich dort bei dem medizinischen Leiter erkundigt und man meinen Namen nirgendwo in den Datenbanken findet …
»Womit hattest du es hauptsächlich zu tun? Mit welchen Krankheitsbildern, meine ich.«
»Erfrierungen.« Die gab es garantiert. »Grippale Infekte, Knochenbrüche, Stich- und Schnittverletzungen. Außerdem Magengeschwüre und … solche Sachen.«
Er schürzt die Lippen. Kratzt sich neben dem Auge. »Worauf musst du achten, wenn du die Kost für einen Magenpatienten zusammenstellst?«
Ich habe keine Ahnung, ob ich das als Pflegehelferin wissen müsste. Oder ob mich das im Gegenteil verdächtig macht. »Kleine Portionen, nicht zu heiß, nicht zu kalt. Die Kost sollte fettarm, mild, mager und möglichst gekocht sein. Joghurt ist auch gut.«
»Warum?«
»Weil …« Ich bremse mich. Die Kenntnis von Helicobacter pylori ist definitiv zu viel des Guten. Ich rudere mit den Händen in der Luft herum, als würde ich nach einem Wort suchen, das mir nicht einfällt. »Es gibt Bakterien, die Magengeschwüre machen, und die vertragen sich nicht so gut mit Joghurt. Deshalb.«
Osler hebt amüsiert, aber auch ein bisschen beeindruckt die Augenbrauen. »Nicht übel. Zeig mir, wie man einen Druckverband anlegt.« Er streckt seinen linken Arm aus.
»Wo ist die Wunde?«
Er grinst. »Ausgezeichnete Frage. Hier.« Er deutet auf eine Stelle an seinem Unterarm.
»Dann muss man wahrscheinlich keinen Druckverband anlegen, das muss man nur bei sehr stark blutenden Wunden. An der Stelle, auf die Sie zeigen, verlaufen keine großen Gefäße.«
Er grinst und ich werde das Gefühl nicht los, die Sache macht ihm Spaß.
»Beachtlich. In vier von fünf Fällen würdest du damit richtigliegen. Und was tust du, wenn die Wunde hier auf der Innenseite ist und das Blut pulsierend herausspritzt?«
»Dann ist eine Arterie verletzt. Ich drücke sie mit den Fingern ab, in Richtung Herz. So lange, bis ein Arzt eingreifen kann.«
Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, verschränkt die Arme vor der Brust und grinst seine Kollegin an. »Gratuliere, Albina. Du hattest recht, in der Kantine ist sie verschwendet. Jetzt, da wir diese ganzen
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