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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Ich bin überzeugt davon, dass sie fuchsteufelswild wäre, übergangen zu werden.
    Ich laufe den Gang zurück, klopfe an ihre Tür.
    »Ja?«
    Sie muss geschlafen haben, sonst hätte sie die Laufschritte gehört, trotzdem klingt sie völlig munter.
    »Gerade ist ein neuer Patient eingeliefert worden. Die drei Kontrolleure kümmern sich um ihn, aber ich dachte, du würdest gern Bescheid wissen.«
    Rumoren, ein unterdrückter Fluch, dann wird die Tür von innen aufgerissen. »Allerdings! Hat denn niemand nach dem Diensthabenden gefragt?«
    »Nein. Keine Meldung auf dem Terminal, aber sie haben beim Hereinkommen ziemlichen Lärm gemacht, das konnte ich nicht überhören …« Ich zucke mit den Schultern.
    »Danke, Sindra. Du weißt gar nicht, wie großartig es ist, jemanden an der Seite zu haben, der mitdenkt.« Während Albina noch spricht, schlüpft sie in ihre Schuhe. »Wohin haben sie ihn gebracht?«
    »In das rechte Einzelzimmer.«
    Sie läuft mir voraus, wieder leise fluchend. Ohne zu klopfen, reißt sie die Tür zum Patientenzimmer auf. »Ich werde Bericht erstatten, dass Sie sich über die Vorschriften hinwegsetzen.«
    Die drei Ärzte drehen uns ihre Köpfe zu. Ich trete einen halben Schritt zurück, in den Schatten. Einer von ihnen – klein und sehr dünn – kommt mir vage bekannt vor, als er jetzt seinen Mundschutz lüftet. Aber vielleicht irre ich mich. Hoffentlich.
    »Sie wissen genau, dass Sie mindestens einen der Ärzte des Medpoint informieren müssen, wenn Sie unsere Patienten untersuchen oder behandeln, und erst recht, wenn Sie einen neuen einliefern. Die Zuteilung der Zimmer –«
    »Wir haben für unsere Arbeit eine Sondergenehmigung«, unterbricht sie einer der Ärzte. »Fragen Sie Ihren Vorgesetzten und stören Sie uns nicht länger.«
    Albina setzt zu einer Entgegnung an, doch der kleine, dünne Arzt kommt ihr zuvor.
    »Wieso sind Sie überhaupt hier?« Er kneift die Augen zusammen, und ich bin sicher, er versucht zu erkennen, wer sich im Schatten hinter der aufgebrachten Ärztin versteckt. Ich würde gern verschwinden, aber ich habe etwas gesehen, das mich an meinem Platz stehen bleiben lässt wie festgenagelt.
    »Bei dem Lärm, den Sie vorhin gemacht haben, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Sie das halbe Haus wecken«, gibt Albina zurück. Geschickt. Sie deckt mich und kontert gleichzeitig mit einem Vorwurf, der sitzt.
    Der dünne Arzt dreht sich weg. Schweigend.
    Ich wünschte, er würde einen Schritt nach rechts machen. Dann könnte ich den Kopf des Patienten sehen und hoffentlich erleichtert aufatmen.
    Es ist ein Mann und er ist groß, viel größer als der Durchschnitt. Seine Beine ragen gut zehn Zentimeter über den Rand der Rollliege hinaus. Beine, die in fellbesetzten Stiefeln stecken. Graues, struppiges Fell.
    »Ich brauche die Patientendaten.« Albina lässt nicht locker. »Für die Dokumentation. Name, Herkunft, Status, Art der Erkrankung.«
    Liegt es an ihrer Empörung, dass sie noch nicht genauer hingesehen hat? Oder will sie die Ärzte zur Weißglut treiben? So, wie ich sie kennengelernt habe, tippe ich auf die Weißglut.
    »Lassen Sie uns doch endlich in Ruhe unsere Arbeit machen«, schnauzt einer der Kontrolleure sie an.
    »Sehr gerne, wenn Sie mich die meine machen lassen«, schnappt Albina zurück.
    Ich kann jetzt eine Hand sehen. Sie ist groß und schwielig. Auf Höhe des Handgelenks ist der Ärmel mit dünnen Lederstreifen umwickelt, damit er nicht zurückrutscht. Das ist eine verbreitete Angewohnheit bei Menschen, die viel Zeit im Freien verbringen. Trotzdem.
    »Der Patient«, beginnt einer der Ärzte mit deutlichem Widerwillen in der Stimme zu erläutern, »hat einen Schlag auf den Kopf bekommen und ist bewusstlos. Wir werden ihn genau untersuchen und dann eine exaktere Diagnose stellen.«
    Das Nachgeben des Arztes verbucht Albina als Teilsieg, wie jeder an ihrer Stimme hören kann, als sie wieder das Wort ergreift. »Na also. Alter, Status, Herkunft?«
    Die drei Kontrolleure tauschen gereizte Blicke. Dann tritt der dünne vor und faucht Albina an, aber ich bekomme nicht mit, was er sagt, denn jetzt kann ich das Gesicht des Mannes auf der Liege sehen.
    Seine Augen sind geschlossen, sein Mund steht halb offen, umgeben von einem vollen, langen Bart. Das graublonde Haar hat sich aus dem Zopf gelöst und umgibt seinen Kopf; man könnte glauben, er liege in schmutzigem Schnee.
    Ich verstehe nicht, wie er hierher gelangt ist. Was passiert ist, wieso man ihn zum Medpoint

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