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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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kaum verhindern können und unter Umständen wäre das schon zu viel.
    Ich hole das tragbare Terminal aus der Ladestation und öffne alle Programme und Dateien, die ich für die Visite brauche. »Die Besserwisser«, sage ich leise, »die sind wir immer noch nicht los?«
    »Nein. Dann würdest du mich durch den Raum hüpfen sehen, nicht wahr? Sie sind fast rund um die Uhr –«
    Die Tür wird aufgerissen und Osler stürmt herein. »Ich entschuldige mich für die Verspätung, ich wurde aufgehalten.« Albina und ich wechseln einen vielsagenden Blick. »Lasst uns gehen.«
    Die Visite ist normalerweise ein reines Vergnügen für mich. Ich darf kein Medikament, keine Dosierung, keinen Wert falsch eingeben – es ist ein wenig wie beim Aufmerksamkeitstraining im zweiten Jahrgang an der Akademie und das habe ich schon mit vierzehn geliebt. Heute hingegen muss ich mich wirklich konzentrieren, umso mehr, je näher wir Andris’ Zimmer kommen.
    Er liegt noch genauso da wie beim letzten Mal. Nur steckt jetzt eine Nadel in seiner rechten Armbeuge, über die eine klare Flüssigkeit in seinen Körper läuft. Der Infusionsbeutel ist unbeschriftet, wer weiß, was sie ihm einflößen.
    Neben dem Bett sitzt einer der Ärzte. Der unauffälligste der drei: mittelalt, mitteldick, mittelglatzköpfig. Ich achte genau darauf, wie er mich ansieht. Prüfend, betont gleichgültig, interessiert? Nein, nichts von alledem. Sein Blick streift uns freundlich und bleibt erst an Osler hängen.
    »Es geht ihm gut. Ich war die letzten Stunden bei ihm und seine Werte sind in Ordnung.«
    »Davon möchte ich mich gern selbst überzeugen.« Osler beugt sich über Andris, zieht seine Lider hoch, misst seinen Puls, seinen Blutdruck. An Andris’ linkem Arm entdecke ich zahlreiche Einstichstellen und eine festgeklebte Kanüle – sie müssen ihm mehrfach Blut abgenommen haben.
    Auf dem Datenterminal habe ich Andris’ Akte aufgerufen. Sie ist praktisch leer, im Vergleich zu denen der anderen Patienten. Die Kontrolleure führen ihr eigenes Protokoll.
    »Wo ist das Schädel-MRT?«, will Osler wissen.
    Der Kontrolleur zieht sein Datenterminal heran und ruft ein Bild von Andris’ durchleuchtetem Schädel auf. »Sehen Sie? Keine Risse im Knochen, keine Schwellungen am Hirn. Diese Leute haben harte Köpfe.«
    Osler betrachtet das Bild. »Ich möchte trotzdem wissen, was Sie mit dem Mann hier machen. Falls Sie nämlich Experimente an Menschen durchführen, werde ich das an höchster Stelle melden.«
    Der fremde Arzt schüttelt den Kopf. »Ich garantierte Ihnen, dass das nicht der Fall ist. Dem Patienten wird nichts geschehen, er wird nur in einem warmen Umfeld gesund gepflegt und untersucht.«
    Ich versuche, einen Blick auf sein Terminal zu erhaschen; in der Kopfzeile findet sich üblicherweise der Name des Besitzers. Aha. Er heißt also Behrsen. Am Medcenter war meines Wissens niemand mit diesem Namen tätig. Das ist gut.
    »Was befindet sich in der Infusion?«, will Osler wissen.
    »Nährlösung und ein leichtes Breitbandantibiotikum. Wissen Sie, es gibt Anweisungen vom Präsidenten, dass verletzte Außenbewohner vermehrt aufgenommen und untersucht werden sollen«, erklärt Behrsen. »Je näher die Menschen innerhalb und außerhalb der Sphären zusammenrücken, desto besser müssen wir übereinander Bescheid wissen.«
    Ich lasse meinen Blick zur Wand schweifen, versuche möglichst unbeteiligt, wenn nicht sogar gelangweilt zu wirken. Nicht eine Sekunde lang glaube ich, dass das der Grund für Andris’ Anwesenheit ist. Es ist aber auch keine richtige Lüge, Behrsen zeigt keine derartigen Anzeichen in seiner Körpersprache oder seiner Stimme. Allerdings hält er etwas zurück. Er ist bedacht auf seine Worte, als hätte er Angst, zu viel zu sagen.
    Wäre er schockiert, wenn ich ihm erzählen würde, wie gnadenlos die Exekutoren ganze Clans ausrotten, die auf wertvollem Land siedeln? Oder wenn ich ihn in die Sache mit dem Gift einweihen würde? Ist er einer von denen, die über diesen Teil der Sphärenpolitik informiert sind?
    Wahrscheinlich nicht. Er würde solche Berichte als Lügen abtun, genau wie ich, als Fiore und Lennis mich über die Versorgungspakete und die Massaker informierten.
    Ich lächle ihn kurz an, als wir das Zimmer verlassen, und er nickt mir beiläufig zu, bevor er sich wieder seinem Patienten widmet.
    Am Abend wartet Aureljo bereits an der Bank auf mich; er hat schon alles von Dantorian erfahren, will es aber noch einmal aus meinem Mund

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