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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Versprechen, ihn zu schützen, lastet stärker auf mir, als ich erwartet hatte. Ich weiß nicht, wie ich es halten soll. Etwa ein Drittel des Tages ist Behrsen für ihn zuständig, dann kann ich zumindest das Zimmer betreten, ohne Verdacht zu erregen. Für den Rest der Zeit gilt das nicht.
    Ich schlüpfe aus meinem Hemd und meiner Hose und stecke beides in den Schacht für die Schmutzwäsche; erst im letzten Moment fällt mir der kleine Zettel ein, den ich gestern tief in der Hosentasche versenkt habe.
    Vorsichtig hole ich ihn heraus und sehe mich nach einem neuen Platz dafür um. Unter der Matratze? Oder soll ich ihn ebenfalls einrollen und in den Stiel meiner Bürste stecken, so wie das Papier, auf das ich die sichtbaren Fragmente des Dokuments aus der Präsidentschaftskanzlei notiert habe?
    Ja, das ist vielleicht das Beste. Ich falte den Zettel auseinander, streiche ihn vorsichtig glatt und will ihn zusammenrollen … Doch etwas irritiert mich.
    Auf den zweiten Blick kann ich nicht mehr nachvollziehen, was es war. Ich blinzele, meine Augen sind vom Schlaf noch verklebt, meine Sicht nicht ganz klar.
    GL/2J-B
    DH/L10/V
    RP-72b/UW
    ZM23-2/V
    Alles wie gehabt. Ich beginne, den Zettel aufzuwickeln, behutsam von unten nach oben.
    Die Erkenntnis kommt plötzlich, trifft mich wie ein Schlag, ich spüre ihn körperlich. Bemerke kaum, wie ich auf die Knie sinke. Die Schrift verschwimmt vor meinen Augen, wird wieder klar: Meine hastige Schrift, deren schlampige Ausführung mir ein neues Bild zeigt, eine neue Wahrheit.
    DH/L10/V
    Ich habe die Striche und Buchstaben nicht sorgfältig voneinander abgesetzt, ich war in zu großer Eile. Was ich für eine Formel gehalten habe, ergibt nun ein Wort.
    DHALION
    Der Boden unter meinen Knien ist kalt, ich habe nichts als Unterwäsche an, aber ich kann mich nicht rühren. Kann den Blick nicht von dem kleinen Stück Papier wenden, das gerade im Begriff ist, meine Welt auf den Kopf zu stellen.
    Die ganze Zeit über dachte ich, Dhalion sei ein Mensch: In meinem Kopf war er abwechselnd ein älterer Mann und ein kleines Kind. Jemand, der Schutz brauchte.
    Was für ein Irrtum.
    Unzählige Dinge, die sich in den letzten Monaten ereignet haben, die gesagt oder verschwiegen wurden, bekommen auf einmal eine neue Bedeutung.
    Ich denke an ein schreiendes Baby. An das, was Jordan über Dhalion und seinen freundlichen Brudergeschrieben hat. An Quirin, der sich angesichts der Tatsache, dass das erbeutete Mehl vermutlich vergiftet war, vor Lachen kaum halten konnte. Dass uns das passiert! Giftköder, ausgerechnet! Und wir hatten nicht den geringsten Verdacht. Eine Schande, findest du nicht, Vilem? Daran, was Fiore mir erzählt hat, und an Curvelli, der Vilem aufsuchen wollte. Und zuletzt an Gorgias, sein Entsetzen angesichts dessen, was der farblose Sentinel ihm an Daten vorgelegt hat. Unvorstellbar, dass jemand zu so etwas fähig ist .
    Ich habe lauter falsche Schlüsse gezogen. Immer gedacht, wir müssten beweisen, dass es keine Verschwörung gibt – doch das war falsch. Wenn es stimmt, was ich zu erahnen glaube, dann gibt es nicht nur eine Verschwörung, sondern sie ist so perfide und ungeheuerlich, dass ich mich weigere, die neuen Informationen zu einem vollständigen Bild zusammenzusetzen. Dass jemand zu so etwas fähig ist. Unvorstellbar, auch für mich.
    Und Sandor …
    Wieder verschwimmen die Buchstaben vor meinen Augen. Oben und unten wechseln ihre Plätze. Ich atme tief ein und aus, bis mir nicht mehr schwindelig ist. Wenn ich recht habe, dann begreife ich endlich, was in Sandor vorgegangen ist. Warum er nach dem Gespräch mit Quirin so verzweifelt war. Mein Gott, ich wäre auch verzweifelt gewesen. Alles, alles fügt sich plötzlich zusammen. Nimm einen ersten Eindruck nie für die ganze Wahrheit , sagt Grauko in meinem Kopf.
    Ich wünsche mir so sehr, ihn um Rat fragen zu können, dass es fast körperlich schmerzt. Und ich werde mich an seinen Lehrsatz halten. Bisher habe ich nicht mehr als eine Theorie, und sosehr ich auch glaube, dass sie den Tatsachen entspricht, so wenig darf ich mich darauf verlassen.
    Mit bebenden Händen rolle ich den Zettel auf. Ich brauche vier Versuche, bis ich es schaffe, ihn in den Bürstenstiel zu stecken.
    Ich bin viel zu früh an der Bank und verliere beinahe die Fassung, als Dantorian allein dort auftaucht.
    »Aureljo hatte einen Unfall, er ist bei Ausbesserungsarbeiten in der Zentralkuppel ein Stück abgestürzt. Sehr tief ist er nicht gefallen, aber

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