Die Verschworenen
gerichtet. Nun regt Behrsen sich, dreht sich zur Seite, murmelt etwas.
Schlaf weiter, bitte, schlaf …
In das Stöhnen mischt sich leichtes Husten. Ich drehe mich um und sehe Andris, der sich auf seinen linken Ellenbogen gestützt hat und den polierten Boden neben seinem Bett anstarrt. Er weiß nicht, wo er ist, natürlich nicht.
Ich gehe zu ihm, hocke mich hin, bringe unsere Gesichter auf gleiche Höhe und lege ihm meine flache Hand über den Mund.
Seine Augen werden groß, ich schüttle den Kopf. Er darf nichts sagen, keinen Ton von sich geben, es muss anders gehen. Noch einmal presse ich meine Hand gegen seine Lippen, kurz und mit Nachdruck. Hat er verstanden? Er nickt. Eine winzige Kopfbewegung, die ihn schmerzlich die Augen zusammenkneifen lässt.
Ich setze mich an die Bettkante. Nicht sprechen . Gesten, die Sandor mich gelehrt hat, aber jetzt an ihn zu denken, wäre dumm. Keine unnötigen Ablenkungen.
Sphäre, deute ich . Keine Gefahr. Ruhig. Bitte .
Sein Blick tastet mein Gesicht ab, als wäre er unsicher, ob es wirklich ich bin, die er vor sich sieht.
Bekommst Medizin für deinen Kopf. Für gesund .
Er blinzelt. Hebt die Hände und deutet, aber sehr undeutlich.
Lieblinge .
Ja , gebe ich zurück. Hier sind Lieblinge .
Plötzlich bäumt er sich auf. Greift nach seinem Venenkatheter und will ihn herausreißen, ich muss mich über ihn werfen und seine Hände festhalten. Es klappt. Erstaunlich, wie schwach er ist.
Ich warte, bis Andris sich wieder beruhigt hat, und stelle gleichzeitig mit Entsetzen fest, dass Behrsen nicht mehr schnarcht.
Wird er gleich in der Tür stehen? Ich höre keine Geräusche, die darauf schließen lassen, kein Rumoren, keine Schritte. Liegt er still da und lauscht? Überlegt er noch, ob es sich lohnt, aufzustehen?
Ich halte Andris’ riesige Hände, versuche, ihm meine Botschaft mit den Augen zu vermitteln. Nicht bewegen. Ruhig bleiben .
Und dann … setzt das Schnarchen wieder ein.
Langsam lasse ich Andris’ Hände los. Er ist jetzt wach und hat sich inzwischen ausreichend orientiert, um die Situation einigermaßen zu erfassen. Aber er weiß noch nicht, was er von meiner Anwesenheit in seinem Krankenzimmer halten soll und ob er mir vertrauen kann.
Niemand kennt mich hier. Anderer Name , deute ich. Besser bekomme ich es nicht hin, ich hoffe, Andris versteht, was ich meine.
Er stutzt kurz, nickt dann aber.
Warum bin ich hier und nicht tot? , fragt er mich im Gegenzug.
Weiß ich nicht . Ich hatte gehofft, er hätte eine Theorie, hätte ein paar Worte der Sentinel aufgeschnappt, bevor sie ihn bewusstlos geschlagen haben. Doch auch was das angeht, bin ich auf dem Holzweg.
Schlag war von Scharten. Zwölf Mann. Überfall beim Sammeln .
Dann stimmt es also, dass die Exekutoren sich williger Clans bedienen, um sie ihre Schmutzarbeit machen zu lassen.
Andere Dornen gesund? , frage ich.
Weiß nicht. Noch jemand hier?
Nein, soweit ich es mitbekommen habe, ist Andris der Einzige. Ich schüttle den Kopf.
Er hält meinen Blick mit seinem fest. Es liegt etwas Bittendes darin.
Muss fort. Zurück .
Zu diesem Schluss bin ich ebenfalls gekommen. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass die Exekutoren sich Andris mit einem Genickschuss vom Hals schaffen, sobald sie ihn nicht mehr brauchen. Oder ihn in die Minen im Norden schicken.
Ich tue alles . Versteht er, was ich meine? Ich passe auf. Schutz .
Das bringt ihn zum Lächeln und ich lasse mich davon anstecken, auch wenn ich weiß, dass er mir nicht glaubt. Mir nicht zutraut, im Ernstfall etwas für ihn tun zu können. Aber mein Plan nimmt schon erste konkrete Züge an.
Nicht warten. Jetzt gehen . Wieder tastet er mit einer Hand nach dem Venenkatheter.
Ich schüttle heftig den Kopf.
Überall Sentinel. Große Gefahr. Jetzt ist schlecht .
Die Eindringlichkeit meiner Gesten scheint ihn zu beeindrucken. Er antwortet mir mit nur einer Geste.
Wann?
Bald. Sicher.
Versprechen?
Ja. Versprechen .
Seine Angst ist größer, als ich zu Beginn gedacht hatte. Jetzt erkenne ich sie, im Zucken seiner Mundwinkel, an der Art, wie er nach meiner Hand greift.
Im Nebenraum schnarcht Behrsen heftig auf, murmelt etwas im Schlaf.
Ich habe unser Glück bereits mehr als überstrapaziert.
Jetzt schlafen. Ich bin hier .
Andris lässt meine linke Hand nicht los, während ich aufstehe, um mit der rechten die Rollenklemme aufzudrehen. Nun lösen sich wieder Tropfen aus dem Infusionsbeutel, der Schlauch füllt sich, das Gemisch läuft in
Weitere Kostenlose Bücher