Die Verschworenen
Vielleicht kommt ihm das verdächtig genug vor, damit er dich bei der Kuppelverwaltung meldet. Und was tust du dann, Aureljo? Wie willst du dich ausweisen? Das kannst du nicht, also werden sie eine Blutprobe nehmen, die Werte in die Datenbank eingeben und große Augen machen, wenn sie sehen, dass eine hundertprozentige Übereinstimmung mit dem angeblich toten Aureljo aus der Sphäre Hoffnung besteht.« Ich hole tief Luft und nehme Dantorian ins Visier. Ihn einzuschüchtern wird einfacher sein.
»Vielleicht bist du es ja, der als Erster auffliegt. Aber egal, spätestens wenn sie Aureljos Identität kennen, sind sie auch dir auf der Spur. Sie werden wissen wollen, wieso ihr lebt und wie ihr in ihrer Sphäre gelandet seid, aber vor allem werden sie sofort Meldung erstatten – an die Sphäre Hoffnung und an die Leitung des Kommandos. Dann dauert es höchstens zwei Stunden, bis die Exekutoren Bescheid wissen und euch abholen kommen.« Ich lasse Dantorian nicht aus den Augen. »Erinnerst du dich an die Keule, mit der sie unsere Wachen erschlagen haben?«
»Hör auf!« Es klingt wie eine höfliche Bitte, aber ich kann die Härte in Aureljos Stimme hören. »Du erzählst uns nichts, was wir nicht bereits wissen.« Er nimmt meine Hand und ich unterdrücke das Bedürfnis, sie zurückzuziehen.
»Taktisches Vorausdenken war eins meiner Hauptfächer an der Akademie, weißt du das nicht mehr? Glaubst du wirklich, ich würde blindlings draufloslaufen, ohne nicht wenigstens drei Notfallpläne ausgearbeitet zu haben?« Er verschränkt die Arme vor der Brust, halb amüsiert, halb verärgert. »Natürlich werden wir uns ausweisen können, es gibt die Möglichkeit, an Identitätschips heranzukommen. Es wird keinen Grund geben, uns Blut abzunehmen. Unsere Chancen stehen so viel besser, als du glaubst, Ria.«
Beim letzten Satz imitiert Aureljo die Stimme und Sprechweise von Andris. Ausgerechnet Andris, der fellbehangene Riese, der die Sammler des Clans anführt. Wider Willen muss ich lachen. Genau das wollte Aureljo erreichen; er stimmt mit ein.
Trotzdem werde ich nicht zulassen, dass er sich mit einem Scherz aus der Affäre zieht. »Gut, sagen wir, du kommst unbeschadet hinein. Was tust du dann? In der Ackerbaukuppel Furchen ziehen?«
»Vielleicht. Eine gewisse Zeit lang, bis ich mich besser orientiert und Freundschaften geschlossen habe. Bis ich den Wochenablauf in Vienna 2 gut genug kenne. Dann habe ich mehrere Möglichkeiten. Am wichtigsten ist es, an Information zu gelangen. Wenn ich mich irgendwann zu erkennen geben will, muss ich genau wissen, was man uns vorwirft. Das hat also oberste Priorität und ich denke, dass ich über ein Sentinel-Datenterminal die besten Chancen habe. Noch besser wäre es«, er wirft einen Seitenblick zu Tycho, »wenn jemand dabei wäre, der ein Datenterminal zuverlässig hacken kann, aber … na ja.«
Tycho schüttelt entschieden den Kopf. »Du kennst meine Einstellung.«
»Ja.« Aureljo hat begonnen, vor uns auf und ab zu laufen. Nicht aus Nervosität, sondern weil er Denken gerne mit körperlicher Bewegung vereint. »Es gibt noch eine Möglichkeit, die ich geradezu großartig finde, aber sie erfordert Geduld. Wenn ich über Monate hinweg nicht aufgeflogen bin und die Dinge gut laufen, könnte ich mich zum Sentinel ausbilden lassen. Und am Ende eine Versetzung in Sphäre Zukunft beantragen oder wenigstens einen Transport begleiten, der dorthin geht.«
Die Sphäre Zukunft ist der Regierungssitz. Aureljo hat es also immer noch auf ein Gespräch mit dem Präsidenten abgesehen.
»Vienna 2 und Zukunft sind nicht mehr als zwei Tagesreisen voneinander entfernt. Wenn ich es geschickt anstelle, und das habe ich vor, werde ich eines Tages Zugang zum Präsidenten haben, und dann ist alles möglich.« Er lächelt.
Aureljo verlässt sich auf sein Charisma und auf die Fairness der Obrigkeit. Er glaubt nicht, dass der Befehl, uns zu töten, von höchster Stelle gekommen ist, und wenn doch, dass es ein Irrtum war. Falls das stimmt, könnte er eine Chance haben. Falls nicht …
Ich schließe die Augen, rufe mir das Gespräch zwischen Gorgias, Morus und dem farblosen Sentinel ins Gedächtnis. Sofort fühle ich mich wieder so angespannt wie damals, zusammengekauert in meiner Lauschposition.
Der Präsident nimmt den Fall sehr ernst. Er will, dass es schnell erledigt wird .
Es – das ist unser Tod. Wenn der Präsident ihn befohlen hat, ist es egal, was Aureljo sagt oder tut. Sobald man ihn enttarnt,
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