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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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in dieser Reihung eben einen Irrtum. Wärt ihr ein Wolfsrudel, wärst du die Leitwölfin. Dass ihr noch am Leben seid, ist nur dir zu verdanken, und dem, was du zu uns gesagt hast, als wir vor Maias Leiche standen.«
    Der Schauer, der mir über den Rücken läuft, kann ebenso gut von dem kalten Stein herrühren, auf dem ich sitze, wie von Sandors Worten. Ich habe mir schon lange nicht mehr bewusst gemacht, wie knapp wir damals einem gewaltsamen Tod entronnen sind.
    Sandor betrachtet mich aufmerksam. »Deine Eltern müssen sehr stolz auf dich gewesen sein.«
    Ich schüttle den Kopf. »Kaum. Ich hatte nie Eltern.«
    Bevor er noch denkt, dass ich ihn auf den Arm nehmen will, erkläre ich es ihm. Das System der Kinderaufzucht in den Sphären, das Verhältnis zwischen den Vitros und den natürlich Gezeugten.
    »Als Vitro wächst man mit einer Ziehmutter auf, die darauf achtet, die Talente jedes Kindes zu fördern. Deshalb kommen vor allem die künstlich Gezeugten für große Karrieren infrage. Sie sind auch genetisch besser ausgestattet, weniger anfällig für Krankheiten und sind nicht dem Einfluss von leiblichen Eltern ausgesetzt. Stattdessen werden sie von Menschen großgezogen, die gelernt haben, wie man das macht.«
    Dass es auch noch die sogenannten Aufgelesenen gibt – Kinder aus Clans, die von ihren Eltern fortgegeben wurden und die in den Sphären gleichberechtigt genährt, ausgebildet und gefördert werden, erwähne ich nicht. Tycho ist einer von ihnen, und nachdem bei ihm große Begabungen festgestellt worden waren, konnte er ebenso eine Akademielaufbahn antreten wie jeder von uns Vitros.
    Als ich Fiore von den Aufgelesenen erzählt habe, wäre sie mir beinahe ins Gesicht gesprungen. Wenn Kinder aus Clans verschwinden , meinte sie, dann bestimmt nicht, weil sie von ihren Eltern im Stich gelassen werden .
    Ein Thema, das ich in meinen Gedanken gern umschiffe. Obwohl ich mittlerweile begriffen habe, dass die Sentinel Massaker unter einigen Clans angerichtet haben, kann ich mir immer noch nicht vorstellen, dass sie Kinder entführt haben sollen.
    »Warst du nicht einsam?«
    Die Frage kommt überraschend. Sandor sieht mich nicht an, er blickt zum Himmel, mit leicht verengten Augen. Wahrscheinlich hält er Ausschau nach Kelvin.
    »Nein. Es war normal. Ich habe nichts vermisst. Keiner meiner Freunde hatte Eltern.«
    Wäre ich ganz ehrlich, müsste ich zugeben, dass ich mich trotzdem oft allein gefühlt habe, innerlich, obwohl meine Ziehmutter die beste war, die man sich denken konnte. Bajas Umgang mit mir war immer voller Zärtlichkeit, Liebe und Verständnis. Ich muss mir nur ihr freundliches, kluges Gesicht in Erinnerung rufen und mir wird warm.
    Allein war ich, wenn mir bewusst wurde, dass unsere gemeinsame Zeit begrenzt war. Wir sind Durchlaufposten , hat einer meiner Ziehbrüder einmal gesagt. Sobald wir auf eine Akademie geschickt werden, sind wir für Baja Geschichte. Wenn du gehst, bekommt sie einen neuen kleinen Schreihals geliefert, der deinen Platz einnimmt.
    Der Gedanke tat jedes Mal weh, wenn ich nachts im Bett lag und unvorsichtig genug war, ihn an mich heranzulassen.
    » Meine Freunde hatten Eltern«, sagt Sandor wie nebenbei.
    Er nicht. Ich erinnere mich, Yann hat es einmal erwähnt, es damals aber wie einen Vorwurf klingen lassen.
    »Wie hast du sie verloren?«, frage ich und hoffe, dass das unter den Außenbewohnern nicht als taktlos gilt.
    Er zuckt nur kurz mit den Schultern. »Gewaltsam und sehr früh, ich kann mich kaum an sie erinnern. Aber sieh mal, da drüben. Das wollte ich dir zeigen.«
    Leicht irritiert von seinem plötzlichen Themenwechsel, folge ich mit dem Blick seinem ausgestreckten Zeigefinger.
    Geschmolzenes Gold, das sich in einem Band über die Landschaft legt. So hell, dass ich vernünftigerweise den Blick abwenden müsste, aber ich weigere mich. Besser, von der Schönheit geblendet zu werden, als ihren Anblick zu verpassen.
    Die Sonne hat den Fluss mit ihrem Licht zum Strahlen gebracht, hat ihn verwandelt. Ich möchte einen Finger eintauchen und sehen, ob er vergoldet wieder zum Vorschein kommt.
    »Unfassbar«, höre ich mich sagen, und dann spüre ich Sandors Hand auf meiner Schulter.
    »Es ist Zeit.«
    »Ich weiß.« Kaum wende ich meine Augen von dem gleißenden Strom ab, sehe ich nur noch dunkle Flecken, die nicht mehr verschwinden, egal wie sehr ich blinzle.
    Sandor geht voran und ich folge ihm, so gut ich kann. Zweimal stolpere ich, beim dritten Mal nimmt er mich am

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