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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Boden, beginnen zu säen und bewachen die Felder. Im letzten Jahr war unsere Ausbeute noch klein, aber wir lernen dazu.«
    Ich denke an das Buch Bodennutzung und Ernte , das ich in der Bibliothek gefunden habe. Vielleicht sollte ich es Sandor zukommen lassen.
    Wir gehen den schmalen Fluss entlang, eine Weile sagt keiner von uns ein Wort. Ich kann meinen Blick kaum vom Wasser abwenden, es ist erst das zweite oder dritte Mal, dass ich es frei durchs Land fließen sehe und nicht als starre, glitzernde Eismasse, in der nichts leben kann.
    »Warum?«, frage ich Sandor, als er schließlich stehen bleibt und zum Himmel hinaufsieht, an dem sich die ersten Zeichen des beginnenden Tages zeigen. »Warum tust du das für mich?«
    Erst antwortet er nicht, sondern stößt einen leisen Pfiff aus, dann dreht er sich suchend im Kreis. Sein dunkles Haar schlägt eine Welle im Nacken, fest und glänzend.
    Über uns Flügelschlag. Sandor hebt die Hand, die mit dem Lederhandschuh, der bis zum Ellenbogen reicht, und lässt Kelvin landen. Der Falke betrachtet mich misstrauisch aus seinen gelben Augen, sträubt das schneefarbene Gefieder und stürzt sich dann auf das kleine Stück Fleisch, das Sandor für ihn aus seiner Umhängetasche holt.
    »Du weißt es zu schätzen. Deshalb.«
    In meinen Augen ist das der beste Grund, den er nennen konnte, denn es ist wahr. Ich weiß jede Minute hier zu schätzen, jede Erdscholle unter meinen Stiefeln, jeden Windstoß.
    Sandor hebt die Hand hoch über seinen Kopf und Kelvin stößt sich ab. Nutzt die morgendliche Brise, um sich in den Himmel zu schrauben.
    Ein Stück weiter den Weg entlang liegt ein kniehoher, breiter Stein, dort setzen wir uns.
    »Erzähl mir, wie euer Leben in den Glaswarzen war«, fordert er mich auf und tritt dabei gefrorene Schneeklumpen in den Fluss, wo sie transparent werden wie Gelee und sich dann in Nichts auflösen.
    Ich denke nach, bevor ich beginne. Das Raster zur Vorbereitung einer Ansprache, das Grauko mir über Jahre hinweg antrainiert hat, funktioniert in meinem Kopf wie eh und je. Was ist wichtig, was ist interessant? Und: Beginne mit dem Ungewöhnlichen.
    »Wir hatten Nummern«, sage ich also. »Jedem Studenten an meiner Akademie wurde eine Zahl zugeordnet. Je niedriger diese Zahl war, desto besser und bedeutender war ihr Träger. Meine Nummer war die 7.«
    Ich muss Sandor nicht ansehen, um zu spüren, dass er lächelt. »Du warst also ausgesprochen gut und sehr bedeutend.«
    Aus Bescheidenheit zu lügen wäre dumm. »Ja, in gewisser Weise war ich das. Hätte nicht jemand beschlossen, uns als Verräter abzustempeln, hätte ich bald einen hohen Posten in einer der Sphären übernommen.« Ich sehe ihn von der Seite an. »So ähnlich wie du. Bei uns gibt es keine Fürsten oder Thans, aber einen Präsidenten und seinen Stab. Und es hat auch jede Sphäre einen Sphärenmeister, der sie leitet.« Ich betrachte meine Hände, die in den Fellhandschuhen wie die Tatzen eines Tieres aussehen. »Ich habe so hart gearbeitet. Wollte unbedingt an die Spitze des Bundes und dazu beitragen, dass es schneller geht mit …«
    Mit der Zivilisation der Außenbereiche , so wurde das bei uns genannt, aber diesen Begriff kann ich vor Sandor natürlich nicht verwenden.
    »… der Einbindung der Außenbewohner in eine technisch fortschrittliche Gesellschaft.« Ein Ziel zu verlieren schmerzt oft ebenso wie der Verlust eines Freundes. Was ist mein Leben jetzt noch wert? Meine ganze Bildung, meine Fähigkeiten sind verschwendet. Mit einem Mal verstehe ich, warum Aureljo so dringend zurückwill.
    »Die Einbindung der Außenbewohner«, wiederholt Sandor, nicht ohne Spott. »Redet ihr so in den Sphären?«
    »Entschuldige. Das bedeutet –«
    »Ich weiß, was es bedeutet. Mir fällt nur kein Grund ein, warum man es so merkwürdig ausdrücken muss.«
    Mein Fehler. Ich habe mich verhalten, als säße ich mit anderen Studenten zusammen, nicht mit einem künftigen Clanfürsten. »Du hast recht«, sage ich.
    Er lacht auf. »Ich habe mir das von Anfang an gedacht. Schon bei unserem ersten Aufeinandertreffen in der Ruine. Du bist eine Führungsnatur. Stärker als alle anderen in eurer Gruppe.«
    Ich strecke meine Beine aus. Am rechten Zipfel des Horizonts errötet der Himmel, als wäre er verlegen. Das bedeutet, dass ich bald wieder nach unten muss.
    »Nicht stärker als Aureljo«, erwidere ich. »Er war die Nummer 1 in unserer Reihung.«
    Sichtlich unbeeindruckt zuckt Sandor die Schultern. »Dann gab es

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