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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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wende ich mich besser wichtigen Dingen zu.
    Ich habe den Großteil der letzten Tage in einem der tiefsten Keller mit Dhalion verbracht. Er ist sicher hier, glaube ich, und die anderen sind sicher vor ihm. Ich will nichts riskieren und ich kann ihn noch nicht gut genug einschätzen, um sorglos zu sein.
    Porter findet, dass ich übertreibe. Es ist bisher alles gut gegangen, warum sollte jetzt plötzlich etwas passieren? Du musst ihn nicht jede Minute persönlich bewachen, er wird nicht ausbrechen. Seine eigenen Worte brachten Porter zum Lachen, als hätte er einen besonders klugen Witz gemacht. »Ausbrechen! Ist das nicht herrlich?« Als er sah, dass ich nicht mitlachte, beruhigte er sich wieder. Im Ernst, ich glaube, es ist besser, du lässt ihn in Ruhe. Verdirb nicht, was wir erreicht haben. Du solltest …
    Was Jordan sollte, erfahre ich nicht, denn hier ist die Seite zu Ende. Ich drehe sie um und beginne, alles noch einmal zu lesen. Was genau war es, das Jordan so fürchtete? War Dhalion, wie ich vermutet hatte, einer seiner Gefährten aus der Sphäre? Oder doch jemand ganz anderes? Seiner Beschreibung nach könnte man meinen, Dhalion sei ein Schlitzer gewesen, den Jordan unter seine Fittiche genommen hat, oder ein wildes Tier.
    Ich blättere das Buch über die Renaissance von vorne bis hinten durch; falls noch ein loses Blatt darin versteckt sein sollte, will ich es auf keinen Fall übersehen. Erst jetzt wird mir bewusst, an welcher Stelle ich die herausgerissene Chronik-Seite gefunden habe. Es ist ein gespenstischer Zufall, an einem Tag wie heute.
    Der Tod und das Mädchen , lautet der Titel des Bildes, das von dem Blatt aus der Chronik verdeckt war. Auf dem Gemälde ringt ein Mädchen die Hände, es ist blass und nackt, sein Blick wirkt verloren, geht ins Nichts, über seine Wangen laufen Tränen. Die Gestalt, die hinter dem Mädchen steht, lächelt siegessicher. Ein von ledriger Haut überzogenes Skelett. Es packt mit einer Hand das Haar des Mädchens und will sein Opfer fortzerren. Den ersten Schritt hat es schon getan, und als Betrachter weiß man, was passieren wird. Der Tod nimmt sich, was er haben will.
    Das Mädchen auf dem Bild hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit Tomma, trotzdem bereitet mir die Übereinstimmung Unbehagen. Dass ich ausgerechnet heute darauf stoße. Und dass genau an dieser Stelle des Buchs der Chronik-Eintrag versteckt war.
    Drei Bildbände blättere ich noch durch, aber in denen hat Jordan nichts hinterlegt. Wenn er es denn überhaupt selbst war und nicht Porter, Dhalion oder jemand ganz anderes.
    Dann sitze ich einfach nur da. Lasse die Zeit vergehen. Ich finde nicht die Kraft, aufzustehen und zu den anderen zurückzugehen. Vielleicht liegt Tomma immer noch auf ihrem Platz, noch blasser als vorhin, die Wangen eingefallen, die Glieder steif.
    Oder sie haben sie schon weggebracht. Ich weiß nicht, was ich schlimmer fände.
    Wir haben uns nicht allzu gut vertragen, in letzter Zeit. Sie war, vielleicht zu Recht, verletzt, weil ich ihr nichts von dem Gespräch zwischen Gorgias, Morus und dem farblosen Sentinel erzählt hatte. Sie ahnungslos die Reise antreten ließ, von der ich zu wissen glaubte, dass sie in den Tod führen würde.
    Dafür revanchierte sie sich mit einer Rücksichtslosigkeit, die ich ihr nie zugetraut hatte. Warf sich Yann in die Arme und war bereit, uns an die Sphären auszuliefern, solange sie in Sicherheit bleiben konnte. Aber ich weiß noch, dass wir Freundinnen waren. Dass wir an der Akademie gemeinsam gelacht, gearbeitet und gegessen haben, dass es eine Zeit gab, in der wir einander vertrauten. Der Gedanke lässt mich endlich wieder weinen, ich rolle mich auf dem Boden zusammen und verberge mein Gesicht in den Armen.
    Fiore findet mich Stunden später, schlafend zwischen den Bücherstapeln. Ich höre ihre Schritte, noch bevor ich ihre Hand an der Schulter spüre.
    »Wir sind so weit«, sagt sie. »Wenn du Tomma auf ihrem Weg begleiten willst, dann komm.«

11
    Sie liegt auf einer Bahre, die aus Holz- und Eisenstangen zusammengebunden ist. Jemand hat sie in ihre Decke gewickelt, nur ihr Kopf ist zu sehen. Ich suche in ihrem Gesicht nach dem Frieden, von dem häufig gesprochen wird, wenn es um Tote geht, aber ich kann ihn nicht finden. Ich sehe nur, dass Tomma fort ist. Dass in diesem Körper niemand mehr wohnt.
    Sandor war hier, als ich in den Speicher geflohen bin, und er ist es noch immer. Oder schon wieder. Er und Aureljo packen die Holme der Bahre und heben sie

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