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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Sphären völlig abgeschlossen hatte und dass sie – anders als wir Übrigen – ohne Zögern bereit war, sich auf eine Welt einzulassen, die ihr letztendlich den Atem genommen hat. Während meiner kleinen Rede wird mir erst das volle Ausmaß meines Verlustes bewusst. Niemanden aus der Gruppe kannte ich so lange wie Tomma, nicht einmal Aureljo. Sie war die Einzige unter uns, mit der ich Kindheitserinnerungen teilen konnte. Das haben wir nicht oft getan und in den letzten Wochen gar nicht mehr, doch jetzt ist es unmöglich geworden. Weißt du noch, damals? Das wird es nie wieder geben.
    Die meiste Zeit, während ich spreche, sehe ich Tomma an, aber hin und wieder hebe ich den Kopf, um den Kontakt zu den Zuhörern nicht zu verlieren, wie Grauko es mich gelehrt hat. Bei einer dieser Gelegenheiten kreuzt mein Blick den von Sandor und mir wird klar, dass ich mindestens ebenso viel von mir erzähle wie von Tomma. Dass ich ihm und Quirin auf diese Weise regelrecht helfe, mich besser einzuschätzen, und dass das möglicherweise ein Fehler ist.
    Ich fahre fort, langsamer und bedachter jetzt, schenke ihren Reaktionen mehr Aufmerksamkeit, aber weder in Sandors noch in Quirins Gesicht erkenne ich Berechnung. Sie lassen meine Erzählung auf sich wirken, mehr nicht, sie fühlen meinen Verlust mit und ein Teil meiner Trauer überträgt sich auch auf sie. Vor allem auf Quirin, der häufig blinzelt.
    Dann bin ich fertig und knie mich neben die Bahre. Küsse Tomma auf die Stirn, die ebenso kalt ist wie der Steinboden unter meinen Händen.
    Wie Aureljo und Sandor sie hochheben und in den Sarg legen, bevor sie den schweren Deckel zuschieben, sehe ich nicht mehr. Will ich nicht sehen. Gemeinsam mit Dantorian gehe ich in den nebenan liegenden Raum, den mit den knochengefüllten Nischen. Die Stablampe zittert in meiner Hand, aber ich werde mich nicht von den flinken Schatten täuschen lassen. Hier lebt niemand, außer uns, und es gibt kaum etwas, das ich weniger fürchten muss als die Überreste längst verstorbener Menschen.
    »Du hast sehr schön gesungen.«
    »Und du schön gesprochen.«
    Wir nicken einander zu. Mehr gibt es im Moment nicht zu sagen.
    Auf dem Rückweg überlege ich, ob es nicht vernünftig wäre, meine Überredungskünste auf Dantorian anzuwenden, ihm so viel Angst einzujagen, dass er Aureljo bei seinem Projekt im Stich lässt, und dann darauf zu hoffen, dass auch er aufgibt.
    Wir werden niemanden mehr aus der Gruppe verlieren, verspreche ich mir. Nicht an die Kälte, nicht an wilde Prim-Clans und erst recht nicht an die Sphären.
    In den darauffolgenden Tagen rücken wir verbliebenen vier enger zusammen. Aureljo verzichtet darauf, seine Pläne weiter voranzutreiben, ich verzichte auf meine Ausflüge in den Bibliotheksspeicher. Wir sitzen beieinander und erzählen uns Dinge, die wir erlebt haben. Früher, in den verschiedenen Sphären, bei unseren Zieheltern und später an der Akademie. Banales, Außergewöhnliches, Witziges. Es wird überraschend viel gelacht, und das tut gut.
    Tommas Lager bleibt lange unberührt, die Decken sind eine Hügellandschaft, die ihr Körper geformt hat. Doch der Teil des Gewölbes, den sie für sich beansprucht hat, wirkt durch all das, was sie zurückgelassen hat, nur noch verlassener, also räumen wir die wenigen Dinge am nächsten Tag weg, wir alle gemeinsam. Wir verteilen sie nicht untereinander, noch nicht, sondern legen sie ordentlich zusammen und verwahren sie in der hintersten Ecke des Raums.
    Nur das Buch, das ich für Tomma mitgebracht hatte, behalte ich bei mir. Sie hat drei Wollfäden zu einem schmalen Lesezeichen geflochten, das die Stelle markiert, an der sie für immer zu lesen aufgehört hat. Irgendwann, bald, werde ich das Buch zurückbringen, mit dem Wollband zwischen den Seiten. Es ist ein Beweis dafür, dass Tomma gelebt hat. Eine winzige Spur, die sie hinterlassen hat und die ich keinesfalls auslöschen möchte.

12
    Weder am nächsten noch am übernächsten Tag lässt Sandor sich blicken. Fiore bringt uns etwas zu essen, sie berichtet, dass einer von den Jägern einen Fahnder gesichtet und zerstört hat.
    Die kleinen Geräte bewegen sich eigenständig durchs Gelände, sie sind oftmals mit Kameras ausgerüstet, außerdem mit Sensoren, die Lebewesen aufgrund ihrer Körperwärme aufspüren können. Sie folgen ihnen und senden die Bilder und Informationen an …
    An wen genau, weiß ich nicht, aber ich vermute, es sind die Exekutoren, die auf diese Weise lästige Clans

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