Die Verschworenen
Sphärenbewohner, die niedere Dienste verrichteten, sich versetzen lassen. Der Gedanke, der dahintersteht, ist, dass sie neue Tätigkeitsbereiche kennenlernen und dadurch in mehreren verschiedenen Funktionen einsetzbar werden sollten.
Die Idee ist nicht dumm: Ein Arbeiterwechsel ist die ideale Gelegenheit, sich in eine Sphäre einzuschmuggeln, wenn man das will. Aber so bald! Zehn Tage. Aureljo hat mir gegenüber noch kein Wort darüber verloren.
»Wie lange kennst du ihn schon?« Nach einem prüfenden Blick auf die Klinge hat Fiore das Messer wieder eingesteckt.
»Aureljo? Seit fünf Jahren. Näher aber erst seit zwei. Warum?«
»Nur so.« Sie nimmt die Lampe hoch, die zwischen uns auf dem Boden steht, und richtet sie auf die dunklen Mäuler der zwei Gänge, die vor uns nach links und geradeaus führen. »Er hat etwas an sich, das mich irritiert, aber ich kann nicht sagen, was es ist.« Der Lichtkegel wandert nach rechts, verharrt kurz und gleitet wieder zurück. »Ich denke immer, ich würde ihn gern besser kennenlernen, aber wenn er vor mir steht, möchte ich etwas nach ihm werfen.«
Also mag sie ihn. In Windeseile entwirft mein Hirn ein Szenario, in dem Fiore und Aureljo ein Paar werden und sie ihn zum Bleiben überredet. Damit wären so viele Probleme auf einmal aus der Welt geschafft, dass es eindeutig zu schön ist, um jemals wahr werden zu können.
»Aureljo wäre sicher sehr daran interessiert, dich besser kennenzulernen.« Ich lege ruhige Überzeugung in meine Stimme, plus ein wenig Wehmut, damit es glaubhafter wirkt. Schließlich sind er und ich zusammen, da kann ich so etwas nicht leichthin sagen.
Wenn diese Information Fiore Freude macht, so lässt sie es sich nicht anmerken. Sie streicht nur vorsichtig mit der Hand über das verkrustete Blut an ihrem Hals. Bei näherem Hinsehen entdecke ich Schmutz an den Wundrändern.
»Du solltest das versorgen lassen.«
»Herzlichen Dank für den Hinweis. Sobald Quirin nicht mehr damit beschäftigt ist, abgeschnittene Arme und aufgeschlitzte Bäuche zu behandeln, wird er sich bestimmt um meinen Kratzer kümmern.«
Sie steht unter Druck und den lässt sie an mir aus. Das ist in Ordnung. Ihre Sorge um die Männer und Frauen an der Oberfläche ist sicher so groß wie meine um Sandor.
»Wie viele feindliche Krieger sind es, was schätzt du?«, frage ich leise.
Schulterzucken. »Hundert oder mehr. Ich habe nicht alle gesehen, aber Vilem meinte, es kommen ständig neue nach. Vor allem aus dem Norden, es hat sich wohl herumgesprochen, dass die Bedingungen bei uns immer besser werden …«
Herumgesprochen, natürlich. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wer den feindlichen Clans diese Nachricht zugeflüstert hat. Was kann den Sphären Besseres passieren als Clans, die sich gegenseitig an die Kehle gehen?
Dabei ist die Außenwelt doch riesig. Und jetzt, da es wärmer wird, könnten alle Stämme in völligem Frieden nebeneinander existieren, ohne sich in die Quere zu ko–
Ein Schlag. Die Tür, gegen die ich meinen Rücken gelehnt habe, erzittert. Jemand hämmert von der anderen Seite dagegen, wahrscheinlich mit der Faust.
»Fiore!«
Sie ist mit einem Satz auf den Beinen. »Bojan! Ist etwas passiert?«
Ich höre einen Laut ähnlich einem Schluchzen. »Ja. Komm, schnell, wir brauchen deine Hilfe.«
Der Metallschlüssel dreht sich im Schloss, die Tür springt auf und trifft mich beinahe am Kopf. Fiore ist bereits losgelaufen, ohne mir auch nur einen weiteren Blick zu schenken, und Bojan, dessen Gesicht weiß und verschwitzt ist, schickt mich nicht in mein Quartier zurück.
Also folge ich ihnen.
Es ist Quirin, denke ich, es hat Quirin erwischt, und jetzt wissen sie nicht mehr, was sie tun sollen, denn er ist der Kopf des Clans.
Ich bereite mich auf einen schauderhaften Anblick vor, auf Quirin mit zerschmettertem Kopf oder durchbohrter Brust, der weiße Mantel rot durchtränkt …
Die Bilder sind verstörend, aber immer noch besser als eine andere Möglichkeit, die am Rande meines Bewusstseins auftaucht. Ich dränge den Gedanken zur Seite, lasse ihn nicht zu. Und frage mich gleichzeitig, was mit mir geschehen ist. Seit wann Sandor mir so sehr am Herzen liegt.
Seit er die sterbende Tomma in den Armen gehalten hat, vielleicht. Ihr einen letzten glücklichen Moment geschenkt hat.
Ich laufe schneller. Meine medizinischen Kenntnisse sind nicht großartig, sie sind ein Witz im Vergleich zu dem, was Fleming konnte, aber sie sind besser als nichts. Ich kann
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